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Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Titel: Zeit zu hassen, Zeit zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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Sorgenkind. »Immer ziehst du den Ditz vor«, hatte er ihr häufig vorgeworfen. Gelegentlich packte sie die Angst, wenn sie sich eingestehen musste, dass daran etwas Richtiges war. Ditz hatte sich leicht leiten lassen, hatte nie ernsthafte Schwierigkeiten bereitet. Aber mit Leo gab es immer wieder Aufregungen und Ärger. Nicht nur, dass er hinter Katharina her war. Leo hatte eine Stelle als Brotfahrer bekommen.
    »Seinen Freunden muss man unter die Arme greifen«, hatte Hermann Cremmes großspurig gesagt. »Einer von uns sucht einen jungen Mann, der das Brot herumkutschiert. Politisch zuverlässig muss er sein. Leo ist der Richtige dafür.«
    Seitdem war Leo jeden Tag etliche Stunden mit Pferd und Wagen unterwegs. Abends um halb sieben war die Tagesabrechnung. Schon dreimal hatte Leo zu wenig Geld von seiner Tour mitgebracht und sie hatte den fehlenden Betrag mit ihrem Haushaltsgeld ausgeglichen. Sie war ziemlich sicher, dass Leo das Geld für sich genommen hatte. Er konnte die Finger nicht bei sich behalten.
    Und dann Franziska und Paul. Sie hätte vielleicht doch keinen Katholiken in Kost nehmen sollen. Sie hatte gleich so eine Ahnung gehabt. Andererseits mochte sie Paul gut leiden. Er schien ihr zuverlässig und besonnen, wenn man davon absah, dass er gelegentlich wie aus heiterem Himmel jähzornig aufbrausen konnte. Auch zahlte er jede Woche einen Teil seines Lohnes auf ein Sparbuch ein.
    »Hoffentlich macht der Bruno keinen Unsinn«, seufzte sie.
    »Lass doch den Jungen«, war die Antwort ihres Mannes.
    Etwa einen halben Kilometer vor dem Rheindamm lag ein altes Baggerloch. Die Uferhänge waren bereits bewachsen. Die Jungen ließen den Wagen am Rand des Loches stehen. Die drei Säcke trugen sie mit sich. Bruno steuerte auf eine ruhige Bucht zu. Zwischen dichtem Buschwerk führte eine schmale ausgetretene Spur den steilen Hang hinab bis zum Wasserspiegel.
    Es hatte schon länger als vier Wochen keinen Tropfen mehr geregnet. Der Wasserstand war im Mai noch nie so niedrig gewesen.
    »Ganz leise auftreten«, sagte Alwin zu Bruno und Manfred. »Die Fische spüren jede Erschütterung.«
    Er blickte rundum und suchte einen Platz, der Deckung bot. An einer Stelle war die Steilwand eingebrochen und bildete einen Hügel bis in die Bucht hinein. »Dort«, sagte Bruno. Auf leisen Sohlen lief er darauf zu.
    »Seid ihr so weit?«, fragte Bruno.
    Alwin und Manfred nickten.
    Die Jungen waren blass vor Jagdfieber.
    Mit geschickten Griffen führte Bruno die Zündkapseln ein, drehte die Stiele fest und löste die Blechkappen am Ende der Stiele. Die Reißschnur mit der Porzellanperle entrollte sich. Bruno fasste sie zwischen Zeige- und Mittelfinger. »So nehmt ihr sie in die Hand, zieht kräftig daran, wenn ich ›los‹ sage, und dann zählen wir gemeinsam einundzwanzig, zweiundzwanzig und dann nichts wie weg mit den Dingern, klar?«
    »Klar«, sagten Alwin und Manfred. Ihre Stimmen klangen belegt.
    Bruno stieß die Kommandos hervor. Sie rissen die Schnüre heraus, zählten und warfen, ohne zu zögern, die Handgranaten ungefähr fünfzehn Meter weit in den Baggersee hinein.
    Es dauerte nur wenige Augenblicke, dann dröhnten in ganz kurzen Abständen dumpf die Explosionen. Hohe Wasserfontänen schossen hoch und funkelten vielfarbig im Licht der schon tief stehenden Sonne.
    Kaum hatten sich die Wellen verlaufen, da schwebten Fische empor, die hellen Bäuche nach oben gekehrt. Manche bewegten sich noch und trieben mit sinnlosen Schwanzschlägen in Schleifen und Kreisen.
    Bruno hatte als Erster seine Kleider abgestreift, schwamm am Ufer entlang und warf die Fische auf den schmalen Uferstreifen. Alwin folgte ihm.
    Der Wasserspiegel war übersät mit kaum fingerlangen Fischchen. Manfred sammelte die Fische ein und schlug mit einem Knüppel auf alles, was sich noch regte. Dann legte er Fisch für Fisch nebeneinander, grob geordnet der Größe nach. Als die beiden aus dem Wasser herausstiegen, sagte er: »Siebenundsechzig Fische. Fünf große, siebenundzwanzig mittlere und der Rest kleine.«
    »Schnell!«, mahnte Bruno. »Die Detonationen werden weit zu hören gewesen sein.«
    Während Alwin und er sich Hemd und Hose über die nasse Haut streiften, steckte Manfred die großen und mittleren Fische in die drei Säcke.
    »Das Schrottzeug auch?«, fragte er.
    »Na klar«, bestimmte Bruno. »Die kleinen schmecken auch.«
    Sie beeilten sich, den Pfad in der Steilwand hinaufzuklimmen. Als sie die Köpfe über die Böschung gehoben hatten,

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