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Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Titel: Zeit zu hassen, Zeit zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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dich so selten sehe?«
    »Ich war bei Frau Baron.« Sie war ganz aufgeregt. »Ich kann es kaum glauben, Frau Baron hat Hermine Feigel mit einer ganzen Hutkollektion ins Haus bestellt und ihr Leid geklagt. Bei den Wischerhoffs sei sie morgen Abend eingeladen.«
    Er fragte: »Bei den Wischerhoffs von der Werft?«
    »Genau bei denen. Und Nöte haben die reichen Damen! Ihr Modesalon in Düsseldorf habe sie im Stich gelassen und sie sei ganz verzweifelt, weil sie nun nichts anzuziehen habe.«
    »Die hat vielleicht Sorgen!«, sagte Paul.
    Franziska lachte laut heraus. »Stell dir vor, Madame hat ein eigenes Ankleidezimmer und in vielen Schränken rundherum die tollsten Kleider und hat doch wahrhaftig nichts anzuziehen, die Arme. Wo doch eine ganz große Gesellschaft eingeladen wäre.«
    »Und woher weißt du das alles?«
    »Unsere gute Hermine hat mir das haarklein berichtet. Sie hat zu der Frau Baron gesagt, ›Madame‹, hat sie gesagt, ›ich kenne eine Schneiderin, die ist besser als jeder Modesalon in Düsseldorf.‹ Und dann hat Hermine mich wohl in solch leuchtenden Farben geschildert, dass Madame neugierig geworden ist.«
    »Kann ich gut verstehen. Mir geht’s genauso«, sagte Paul.
    »Zur Not kann ich es ja mal versuchen, habe sie gesagt und dann habe sie ganz hysterisch gekichert und gerufen: ›Warum nicht? Hetty Baron im Kleid einer Vorstadtnäherin.‹«
    »Und dann?«
    »Na, ich habe meine drei besten französischen Stoffe von Eva rübertragen lassen und mein Skizzenbuch unter den Arm geklemmt und bin in die Mommsenstraße. Und was meinst du? Madame war entzückt und hätte sich so was nie träumen lassen. Aber bis morgen um sechs muss das Abendkleid fertig sein. Und sie wolle mir auch ein Extrahonorar, hörst du: Honorar! zahlen.«
    »Na, dann wird’s ja diese Nacht wieder durchgehen?«, fragte Paul.
    »Leider nicht«, bedauerte Franziska. »Frau Baron will mich erst morgen früh wissen lassen, für welchen Stoff sie sich endgültig entscheidet. Ihr Mann Emil müsse ihr bei der Wahl beistehen. Schließlich sei es bei den Wischerhoffs nicht irgendeine Einladung, sondern die Gesellschaft des Jahres.«
    »Blöde Gans!«, knurrte Paul.
    »Für mich, mein Lieber, kann Madame eine goldene Gans werden. Ich entwerfe ihr ein Kleid.« Franziska schlug ihren Zeichenblock auf und zeigte ihm eine Skizze. »Ein Kleidchen, sage ich dir, danach werden sich die Damen umschauen und werden fragen: ›Wo haben Sie arbeiten lassen, meine Liebe?‹ Und sie werden es aus ihr herauskitzeln, dass sie den Salon Franziska entdeckt hat.«
    »Salon Franziska?«
    »Ja! Sollte ich etwa sagen: Madame, ich habe den kleinen Laden an der Ecke der Blütentalstraße bei den alten Feigels gemietet?«
    »Du bist ein geschicktes Frauenzimmer. Aber wie schlau du auch immer sein magst, schenke mir heute noch reinen Wein ein. Warum fährst du so oft nach Emmerich?«
    Endlich hatte er es heraus.
    Sie schaute ihn belustigt an und antwortete: »Wenn dich das quält, warum hast du mich nicht eher gefragt?« Sie kramte in ihrem Sekretär und reichte ihm einen Brief hinüber.
    Er las. Ihm schoss das Blut in den Kopf. »Liebe Ziska«, stand da. »Ich vergehe vor Sehnsucht nach dir. Ich möchte dich am Freitag, dem 24. Februar 1921, zur gewohnten Zeit am üblichen Ort unbedingt wiedersehen. Vierhundert Küsse, dein Jaap T.«
    Niedergeschlagen warf Paul den Brief zurück auf den Sekretär. »Warum führst du mich an der Nase herum?«, fragte er bitter. »Ich sollte dir wohl Zeit lassen für deinen Jaap.«
    Er setzte sich und stützte den Kopf in die Hände.
    »Dummkopf!«, flüsterte sie und hockte sich dicht vor ihm in die Knie. »Bist wirklich ein Dummkopf. Soll Jaap Terhaag mir denn schreiben, dass er Freitag für mich wieder Stoffe aus Holland über die Grenze schmuggelt?«
    »Und die vierhundert Küsse?«
    »Du hast recht. Es ist zu viel. Jedes Mal will er ein paar Mark mehr für seine Dienste.«
    »Ein paar Mark?«
    »Er schreibt Küsse und die Kontrolle ist gerührt. Aber er meint Mark und Pfennig, nichts anderes.«
    »Aber ist das nicht gefährlich?«, fragte er.
    »Gefährlich hin, gefährlich her. Ich brauche die Stoffe, wenn ich den Laden hochbringen will. Bisher haben wir die Zöllner und die Polizisten noch immer übertölpeln können. Jaap sorgt schon dafür, dass sie uns nicht erwischen.«
    Er schaute sie erleichtert an und nahm ihr Gesicht in seine Hände. »Bist ein kluges Mädchen«, sagte er zärtlich zu ihr.
    Nach einer Weile entzog sie

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