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Zeitbombe Internet

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Titel: Zeitbombe Internet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fischermann
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Geschäftskonten ist das nicht zwingend vorgeschrieben (in Deutschland ist das nicht sehr viel anders, da werden solche Fragen Einzelfall für Einzelfall von Richtern untersucht und entschieden). Und irgendwo im Kleingedruckten ihrer Kontoeröffnungsunterlagen hatte Karen McCarthy die volle Verantwortung für Cyberdiebstähle übernommen. »Gibt es denn irgendetwas, das ich noch hätte tun können?«, fragt sie. »Wir fühlten uns geschützt, weil wir den Empfehlungen unserer Bank gefolgt waren und eine Antivirussoftware installiert haben. Mehr kann ich doch nicht tun. Ich bin doch keine Datenverarbeitungs-Expertin!«

    Karen McCarthy hat die Bank gewechselt. Und die Computer. Sicher fühlt sie sich trotzdem nicht: »Inzwischen weiß ich, dass mein Geld unter dem Kopfkissen sicherer wäre«, sagt sie. Sie würde jetzt nur gerne wissen, wer schuld an dieser Misere ist. Die Bank, weil sie zu lässig war? Die Polizei, weil sie die Cyberverbrecher nicht fängt? Die Hersteller der Antivirensoftware, die nichts gemerkt hat? Karen McCarthy selber, weil sie an die Sicherheit des Onlinebanking glaubte?
    Wunderwaffen mit Rechtschreibfehlern: Spam-E-Mails
    Der »Gott des Internet« hatte bereits im Einführungskapitel einen ersten kurzen Auftritt – aber von der beliebtesten Erfindung Jon Postels war noch gar nicht die Rede. Irgendwann in den Gründungsjahren des Internet hatte Postel in seiner Freizeit das »Simple Mail Protocol« entwickelt. Das waren ein paar Programmzeilen und eine Reihe technischer Konventionen, die es erlaubten, in dem gerade brandneuen weltweiten Netz elektronische Briefe zu verschicken. »Schlichtes Protokoll für den elektronischen Postversand« würde man seine Erfindung wörtlich übersetzen. »E-Mail« sagt man heute.
    Schlicht und demokratisch ist an der Postel’schen Erfindung zum Beispiel, dass jedermann mit einem Computer und einer Datenleitung einen elektronischen Brief losschicken kann. Schlicht und praktisch ist, dass das ein einziger Brief an einen einzigen Empfänger sein kann – oder ein Brief an tausende und abertausende von Empfängern zugleich. Schlicht und unbürokratisch ist, dass der Absender nicht nachweisen muss, wer er eigentlich ist. Er kann seinen richtigen Namen angeben oder seine E-Mail-Adresse oder einen Fantasienamen wie »GodZilla«, »George W. Bush« oder »Kreissparkasse Köln«. Und warum auch nicht? Möglichkeiten des Missbrauchs, des Verbrechens gar – so etwas kam den technikbegeisterten, idealistischen, langbärtigen Gründervätern des Internet nicht in den Sinn.
    So ungefähr funktioniert das auch heute noch. Bis heute
stehen tausende von Rechenzentralen im Internet, über die man ganz nach der alten Postel’schen Schule ungeprüft seine Nachrichten weiterreichen kann. Im Lauf der Jahre haben Techniker bei Internetfirmen, in Konzernen und Universitäten versucht, den E-Mail-Versand ein wenig komplizierter zu gestalten. Sie fragen den Absender zum Beispiel nach seinem Passwort, sie greifen auf Verschlüsselungstechniken zurück, doch hundertprozentig zuverlässig gelingt die Identifikation des Absenders nie. Tief in den Eingeweiden des Internet steckt ja immer noch das alte, lückenhafte E-Mail-Protokoll – von der Hand des Internet-Gottes für eine Welt ohne Übel und Fehltritte programmiert.
    Die ersten Sündenfälle traten ein, kaum dass das »Simple Mail Protocol« die Labors der Techniker und Akademiker verlassen hatte. E-Mail hatte die technische Grundlage für eine ökonomische Innovation gelegt: das völlig kostenlose und – bei Bedarf – sogar anonyme Massenrundschreiben. Werbepost war in den Augen vieler Menschen schon immer ein Übel: Lange bevor es das Internet gab, quollen die Briefkästen von Broschüren der Supermärkte, von angeblichen Lottogewinnen und den Verlockungen der Kreditkartenfirmen über, sodass die »Bitte keine Werbung«-Aufkleber eine Hochkonjunktur erlebten. Immerhin mussten Werbesender der alten Art noch eine Briefmarke pro Sendung kaufen oder einen Austräger für ihre Prospekte entlohnen. Nicht so die Versender von Werbe-E-Mails. Ihre Kosten betragen – selbst beim millionenfachen Versand – ziemlich genau null Cent.
    Wozu das führte, weiß nahezu jeder, der ein E-Mail-Konto hat: zu einer Flut von Werberundsendungen, die noch dämlicher

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