Zeitbombe Internet
Ermittlungsbefugnisse mit dem Patriot Act extrem ausgedehnt. Anfangs diente er nur dazu, Terroristen aufzuspüren. Inzwischen haben aber auch andere staatliche Behörden leichten Zugriff und benutzen diese Möglichkeit für die ganz normale Polizeiarbeit.
Was das im Einzelnen heiÃt, legt Facebook nicht offen. Aber in dieser Hinsicht unterliegen alle amerikanischen Internetunternehmen den gleichen Regeln. Der Verwaltungsratsvorsitzende von Google, Eric Schmidt, hat dazu einmal gesagt : »Wir unterliegen in den USA alle dem Patriot Act. Es ist also möglich, dass Informationen (der Nutzer) den Behörden zugänglich gemacht werden.« Um die Dimensionen klarzumachen, veröffentlicht Google inzwischen, wie oft Behörden einzelner Länder in den vorausgegangenen sechs Monaten verlangt haben, dass Daten gelöscht werden. Daneben gibt es noch eine zweite Kategorie â »Other Requests« â, und dahinter dürfte sich verbergen, wie oft Google um die Herausgabe persönlicher Nutzerdaten gebeten wurde. Ãber Facebook ist bekannt, dass auch Zuckerberg in seiner Firma schon Besuch vom FBI bekommen hat.
Kardinalfehler 3: Die aggressive Haltung zur Privatsphäre
Facebook hat in nur sieben Jahren Standards für die Kommunikation im Internet gesetzt. Das ist eine groÃe Leistung. Anders gesagt: Mehr als 500 Millionen Menschen ordnen sich den Grundregeln unter, die das Unternehmen aufstellt. Und weil diese Regeln in Software gegossen wurden, sind sie bindender als ein Knigge und die Moralvorstellungen der Kirche. Menschen können fünf gerade sein lassen. Software kann es nicht.
Das ist an sich nichts Ungewöhnliches. Alle Unternehmen, zum Beispiel Autokonzerne, setzen die technischen Möglichkeiten fest und bestimmen, wie ihr Produkt aussieht und welche Eigenschaften es besitzt. Nur geht es in seinem Fall eben um Persönlichkeitsrechte, Privatsphäre, Datenschutz â und nicht um die Frage, wie die Sitze eines neuen Mercedes beschaffen sind. Facebook maÃt sich hier vor allem eines an: Es drängt die Nutzer zu maximaler Offenheit, indem es die Liste der persönlichen Daten, die per Facebook-Dekret erstmal öffentlich werden, mehr und mehr verlängert. Wer das nicht will, muss aktiv werden und die Einstellungen seines Kontos wieder ändern.
Warum eigentlich? Würde man nicht erwarten, dass zunächst alles privat ist und es dann am Einzelnen liegt, was er in gröÃerer Runde teilen möchte? Aber Facebook drängt seine Nutzer in die Gegenrichtung. Das jüngste Beispiel dafür ist die automatische Gesichtserkennung. Schon lange markieren Nutzer per Hand einzelne Fotos und ordnen den Gesichtern ihrer Freunde den Namen zu. Doch seit Sommer 2011 »unterstützt« Facebook dies automatisiert, in dem es im Hintergrund eine machtvolle Gesichtserkennungssoftware laufen lässt. Abstellen? Kann man sie nicht. Wurden die Nutzer gefragt ? Nein. Keiner hat die Liste fortschreitender Grenzverletzungen so ausführlich dokumentiert wie Matt McKeon ... Zunächst seien, erklärt Matt McKeon, ein Programmierer aus der Abteilung Visual Communication im IBM Forschungszentrum für Social Software in Cambridge (Massachusetts), nur Name, Geschlecht, die Gruppe, der jemand sich zugehörig fühlte, und ein Bild für alle Facebook-Nutzer sichtbar gewesen. Dann wurden, im November 2009, auch alle Freunde einer Person innerhalb von Facebook sichtbar, per »default«, wie es so schön heiÃt. Als Grundeinstellung. Zugleich öffnete sich Facebook dem gesamten Internet. Wer diese Veränderung nicht aktiv abstellte, war seither mit Name und Bild als Facebook-Mitglied im Internet zu finden. Nur einen Monat später erweiterte Facebook diese Funktion noch einmal enorm und zeigt nun auch die Namen der Freunde einer Person
und seine Vorlieben öffentlich im Internet â wenn es der Einzelne nicht in den Privatsphäre-Einstellungen verhindert. Und seit April 2010 sind auch alle Fotos und Profildaten per »default« erst mal öffentlich. Wurden die Nutzer gefragt? Nein. Facebook verkaufte die Ãnderungen als Fortschritt, weil nun jeder bis in feinste Details bestimmen könne, was privat sei â nachdem erst einmal alles öffentlich geworden war. Kurz bevor Facebook die automatische Gesichtserkennung einführte, kritisierte die amerikanische Nicht-Regierungsorganisation EPIC auch den Ortungsdienst von Facebook. Er
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