Zeitbombe Internet
StraÃe; ausrangierte Industriewaggons in karger Landschaft; ein Trucker-Motel ohne einen einzigen Truck davor. Ein Schild warnt vor Staubverwehungen auf der StraÃe. So könnte das Ende der Welt aussehen. Und doch ist das hier so eine Art Zentrum.
Das eine, was hier auffällt, sind Leitungen, die von Horizont zu Horizont reichen. Kabel-Autobahnen überziehen diese unwirtliche Landschaft, Strommast steht hinter Strommast, teilweise laufen drei, vier oder fünf Leitungen nebeneinander.
Aber wer braucht so viel Strom? Man muss ein wenig herumfahren und suchen, man muss Hinweisen aus der Bevölkerung nachgehen, um ganz am Rand des Industrieparks ein grünlich-graues, riesengroÃes Gebäude zu entdecken. Sein Grundriss ist so groà wie ein bis zwei FuÃballfelder. Graugrüner Beton, keine Aufschrift daran und ein hoher Zaun, der das Gebäude weiträumig abriegelt. Das merkwürdige Gebäude gehört einer Firma namens VA Data, die wiederum eine Tochter des Internetriesen Amazon ist, speziell darauf ausgerichtet, gewaltige Rechenzentren für den Internetkonzern zu errichten.
Amazon, Google und Microsoft bauen derzeit ein solches Rechenzentrum nach dem anderen. Hallen voller leistungsstarker Rechner, dicht an dicht, Reihe an Reihe, verbunden durch Datenkabelstränge und Stromleitungen, zusammengeschaltet zu einem Superhirn. Im Fachjargon nennen die Unternehmen das »Cloud-Computing«, weil es ungefährlicher, niedlicher klingt. Aber faktisch verschwinden die Daten eben nicht in einer »Wolke«, sondern sie flieÃen zu den gröÃten und leistungsfähigsten Computern, die die Menschen bisher gebaut haben.
Weil sie immer laufen, immer online sind und ohne Unterlass Millionen Rechenoperationen, Abfragen oder Analysen
parallel erledigen, verbrauchen die Datencenter gigantische Mengen an Energie, werden nach und nach zu einem der gröÃten Stromverbraucher auf der Erde, und der Energiehunger geht in die Petajoule. Schon heute schlucken Computer etwa fünf Prozent allen Stroms, der weltweit hergestellt wird.
Sobald wir einen Finger auf ein iPhone legen, weià irgendeiner dieser Supercomputer, wo wir sind und was wir gerade treiben. Können wir ihnen trauen?
In jedem Fall fangen wir an, mit ihnen zu sprechen. Jede vierte Suche im Internet, die in den USA über Google-Handys läuft, wird nicht mehr eingetippt, sondern gesprochen. Der Computer versteht das.
Auch die Gesichtserkennung per Handy funktioniert nur mit Hilfe der GroÃrechner im Hintergrund. Die eingebaute Kamera nimmt ein wildfremdes Gesicht auf, schickt es an einen Supercomputer, der analysiert es und vergleicht es mit anderen Bildern im Internet, die genau die gleichen Merkmale aufweisen, und schaut, was für Informationen zu diesen Gesichtern gespeichert sind. Diese Informationen gehen dann wieder an den Ausgangspunkt zurück: das Handy. Es ist, als kramten die Supercomputer in einem globalen Gedächtnis, um dann zu sagen: Klar, das ist doch der Peter Schmidt aus Saarbrücken.
Es gibt inzwischen Software fürs Handy, mit deren Hilfe ein Supercomputer problemlos alle Sternbilder erkennt, und andere Programme, mit denen er jedes Flugzeug am Himmel identifizieren kann, welche Flugnummer es hat, wohin es will und wann es landet. Mit wieder einem anderen Programm liefert er Informationen über die meisten historischen Bauwerke, sobald man die Handy-Kamera darauf richtet. Sogar im Supermarkt macht sich so ein Supercomputer als Ernährungsberater nützlich. Um zu erfahren, ob eine Ware ungesunde oder gefährliche Inhaltsstoffe im Ãbermaà hat, hält der Kunde einfach seine Handy-Kamera über den Strichcode auf der Packung. Das Ergebnis kommt wenige Sekunden später.
In Millisekunden abgetastet. Die neueste Onlinewerbetechnik
Die Datencenter und Supercomputer werden nicht aus Menschenfreude in die Landschaft gesetzt. Sie sollen uns das »unterstützte Menschsein« zur Wirklichkeit machen, von dem Eric Schmidt sprach, aber darüber wollen die Erfinder all dessen sehr, sehr reich werden. Und zwar mit Werbung.
Nicht die alte Art von Werbung. Keine lärmenden Fernsehreklamen oder nervenden Plakate an der Autobahn, mit Inhalten, für die sich höchstens ein Bruchteil der Zuschauer interessiert. Nein, Google, Amazon, Facebook & Co. schalten individuelle Werbung, maÃgeschneidert für jeden Menschen und seinen Handybildschirm. Lockrufe zum Geldausgeben,
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