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Zeitbombe Internet

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Titel: Zeitbombe Internet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fischermann
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die perfekt zu den Bedürfnissen, Wünschen, Gewohnheiten und Träumen des Umworbenen passen, im richtigen Moment, am richtigen Ort. Dafür wollen Google & Co. ihn besser kennenlernen. Sehr viel besser.
    Einige Brancheninsider sind aber noch unzufrieden. »Die durchschnittliche Person kann sich im Augenblick gar nicht vorstellen, wie disparat diese verschiedenen Onlinedatenbanken noch sind«, klagt Allison Hartsoe, eine Mathematik- und Werbeexpertin, die bei der großen »Webanalyse«-Firma Semphonic für das Auswerten eben solcher Daten zuständig ist. »Hier haben Sie Daten aus einem Callcenter. Da haben Sie welche von Webbesuchen. Und dort haben Sie ein paar Umfrageergebnisse. Das alles liegt in Silos nebeneinander, es ist ein großes Durcheinander.«
    Ihrer Meinung nach leben wir in einer ziemlich paradoxen Welt. Ja, es würden jede Menge Daten gesammelt heutzutage, und die Leute regten sich – nicht selten zu Recht – darüber auf. Doch eigentlich seien es auch zu wenige Daten. Allison Hartsoe träumt den Traum aller Onlinewerbeexperten: »Was ich wirklich von einem Unternehmen möchte, ist doch: Information und eine freundliche Beziehung«, sagt Hartsoe. Das müsse eines Tages auch die Werbung schaffen. Computer, Webseiten und Handys müssten mit Informationen gefüttert
werden, die so gut sind, dass die Menschen sie als freundliche, informative Helfer wahrnehmen. »Und dafür, fürchte ich, muss man erst noch viele, viele Daten miteinander kombinieren, und das wird noch viele, viele Jahre dauern«, sagt Hartsoe.
    Wirklich? Vielleicht arbeitet Hartsoe auch nur mit den falschen Unternehmen zusammen.
    Hausbesuch in New York: Die Eingangstür liegt unscheinbar in einer Seitenstraße nördlich des Union Square in New York. Die Straßen und Cafés sind voller Studenten, aber dort, in der 28 West 23. Street, hat sich eine Firma niedergelassen, die eine der genialsten Techniken in der Werbeindustrie entwickelt hat: AppNexus heißt sie; auch sie betreibt einen Supercomputer und führt mit seiner Hilfe Auktionen um Werbeplätze im Internet innerhalb von wenigen Millisekunden durch. Es ist kaum vorstellbar, aber wahr: Zwischen dem Moment, in dem ein Mensch eine Internetadresse eintippt, und dem Moment, in dem diese Seite auf dem Computer oder einem Handy zu sehen ist, führt AppNexus eine Auktion durch und versteigert den Werbeplatz auf dieser Internetseite meistbietend.
    Brian O’Kelly, Gründer und Vorstandschef von AppNexus, sagt: »Vor gerade mal drei Jahren haben wir die erste Auktion in Echtzeit abgehalten. eBay war unser erster Kunde. Und heute liefern wir täglich 5,5 Milliarden Banner aus.« Jedes davon wird über eine Auktion vermittelt. Jede dieser Auktionen dauert tatsächlich nur ein paar Millisekunden.
    Inzwischen beherrschen auch andere Firmen diese Technik. »Trotzdem macht es erst einen kleinen Teil des Onlinewerbemarktes aus«, sagt O’Kelly, der den Auktionsumsatz für das Jahr 2010 auf zwei Milliarden Dollar weltweit schätzt, aber davon ausgeht, dass sich diese Summe im Jahr 2011 verdoppelt. »Dieses Jahr gehen wir nach Europa, und auf Deutschland liegt unsere besondere Aufmerksamkeit«, sagt der Firmengründer.
    Damit die Auktion nicht länger als ein Wimpernschlag dauert, muss der Mensch ausgeschaltet werden. Er gibt nur die Parameter ein, den Rest erledigen Maschinen. So legt beispielsweise
ein Onlinenachrichtendienst nur noch fest, dass er keine Werbung für Diät-Programme und keine Anzeigen für Pornoseiten zeigen will, und meldet AppNexus dann, wie viel Werbeplätze noch frei sind.
    Auf der anderen Seite der Auktion stehen in der Regel Werbeagenturen und sogenannte Media-Agenturen, die für Firmen wie Coca Cola und Mercedes die Werbung auf die verschiedenen Mediengattungen verteilen. »Zu unseren Kunden gehören WPP, Havas und Group M«, einige der Welt größten Werbeagenturen, sagt O’Kelly. Diese Agenturen legen nun ihrerseits fest, welchen Teil des Werbebudgets eines Kunden sie in eine Auktion geben, und in welchem Umfeld diese Anzeigen erscheinen sollen.
    Den Rest erledigen die Supercomputer von AppNexus.
    Wenn dann auch noch eine Technologiefirma namens Criteo ins Spiel kommt, wird es fast überirdisch. Denn dann wird Werbung nicht nur innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde versteigert und auf den entsprechenden Werbeplatz ausgeliefert, sondern

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