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Zeitbombe Internet

Zeitbombe Internet

Titel: Zeitbombe Internet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fischermann
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beschleunigen und formen.
    Was kann man dagegen tun?
    Facebook hat eine großartige Software entwickelt, einen wirklich unglaublichen Erfolg bei Nutzern überall auf der Welt – und Zuckerberg ist ein junger Unternehmer, wie es wenige auf der Erde gibt. Doch das Soziale Netzwerk hat Sollbruchstellen, die vitale Bedürfnisse und Grundrechte vieler Menschen betreffen, und das wird eben umso deutlicher, je mehr Menschen bei Facebook sind.
    Was kann heute privat und wirklich vertraulich bleiben? Was dürfen Menschen über andere öffentlich schreiben? Wie setzt man deutsche Vorstellungen von Privatsphäre und das Grundrecht auf vertrauliche Kommunikation gegen Firmen aus anderen Ländern durch? Die Menschen brauchen auch im Netz einen nicht-öffentlichen Bereich, in dem sie unbehelligt von äußeren Einflüssen ihre Persönlichkeit frei entfalten können. Das Recht auf Privatsphäre und Vertraulichkeit der Kommunikation (Post und Telekommunikation) ist dafür existenziell und im deutschen Grundgesetz verbrieft. Aber wenn dem so ist, dann braucht es Softwarewerkzeuge und andere Rahmenbedingungen, um dieses Grundrecht auch in IT-Systemen zu gewährleisten – wo Vertraulichkeit zugesagt wird. Das gilt unabhängig von der momentanen Neigung vieler Menschen, eine Menge von sich zu erzählen und zu zeigen.
    Was könnte daraus folgen?
    Erstens: Alle Einstellungen, die relevant für die Privatsphäre sind, sollten zunächst auf »geschlossen und privat« gesetzt sein. Danach kann dann jeder Einzelne entscheiden, was er preisgeben will. Dann würde man ja sehen, wie narzisstisch diese Gesellschaft wirklich ist.
    Zweitens: Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss der Berg den Propheten holen lassen, so ungefähr lautet ein biblisches Sprichwort. Staaten sind nun einmal nur begrenzt in der Lage, ihre eigenen Rechtsvorstellungen am anderen Ende der Welt durchzusetzen. Und deshalb sehen sich Facebook und andere Internetunternehmen mit der Idee konfrontiert, Rechenzentren zu regionalisieren. Dann würden die
Daten von Europäern in Europa gespeichert und verarbeitet. Folglich würde europäisches Recht gelten, weil die Daten auch physisch dort lagern. Anfragen US-amerikanischer Ermittler nach deutschen Bürgern müssten nach hiesigem Recht beschieden werden – und nicht nach dem Patriot Act.
    Drittens: Was kann Facebook für Dissidenten tun? Als ein Element einer insgesamt verstärkten Datensicherheit könnte man sich eine extra-verschlüsselte Kommunikationsmöglichkeit innerhalb von Facebook vorstellen. So etwas würde die geschlossenen Gruppen, die nur von Mitgliedern gefunden werden können, ergänzen. Zwar würden damit auch Ermittlungen in westlichen Staaten erschwert. Aber die müssen ja ohnehin den vorgeschriebenen Rechtsweg gehen.
    Eine weitere Idee für mehr Nutzer-Autonomie entwickelt das nächste Kapitel.

5. Abhängig vom Supercomputer – Apple und Google übernehmen unser Leben
    Mehmet N. hat am 16. Dezember 2008 in der Fußgängerzone der westfälischen Kleinstadt Dorsten seiner Ehefrau Fatma N. die Kehle durchgeschnitten. Sie lebte von ihm getrennt, war untergetaucht, und trotzdem spürte er sie auf – weil er sie mit einem Handy orten konnte. Es war der erste Mord in Deutschland, bei dem der Täter sein Opfer per Handy aufspürte.
    Der Täter nutzte eine Dienstleistung, wie sie mehrere Telefongesellschaften und andere Dienstleister anbieten: »Orte die Handys deiner Freunde!« »Hat dein Partner etwas zu verbergen? « »Jetzt mit verbesserter Ortung auf 10 m genau!« – solche Locksprüche finden sich an allen möglichen Ecken im Netz und in Zeitungsanzeigen und in Spots des Werbefernsehens. Der Kunde bezahlt eine Gebühr, und im Gegenzug ortet die Telefongesellschaft auf Anfrage sein Handy. Genau das tat Mehmet N., um sein Mordopfer zu finden. Es war nicht das Handy von Fatma N., das er orten ließ, sondern eines, das er seinem Sohn zugesteckt hatte, wie der Staatsanwalt bestätigte: »Das manipulierte Handy versteckte er in dem Ranzen seines Kindes.« So fand Mehmet N. seinen Sohn und die Mutter am Nachmittag des 16. Dezember 2008 vor dem »Plus« in der Dorstener Fußgängerzone – und ermordete die Frau vor den Augen des Kindes.
    Verkaufsargumente liefern solche Dienstleister massenweise. Sei es die Sicherheit der Kinder, die eines verwirrten

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