Zeitbombe Internet
bringt den Dienst erst heraus, nachdem alle Widersprüche bearbeitet waren. »Internetunternehmen müssen immer ein Gleichgewicht finden zwischen dem Speichern von Daten, das dazu beitragen soll, einen Dienst zu verbessern, und dem Wunsch mancher Nutzer, Daten wieder zu löschen«, sagt der oberste Datenschutzbeauftragte bei Google, Peter Fleischer, nach dem wochenlangen Ringen diplomatisch.
Caspar ist ein Held der Datenschützer-Szene. In seinem Rechenschaftsbericht beschwert er sich ein halbes Jahr später trotzdem: »Die Generalklauseln des Bundesdatenschutzgesetzes (haben sich) für die Beurteilung von Projekten zur Erhebung von Geodaten als wenig taugliche Regulierungsgrundlage erwiesen.« Mit den üblichen Mitteln seines Amtes wäre er dem Internetkonzern nicht beigekommen. Das Recht, das auf seiner Seite stand, hätte ihm nicht geholfen.
Wieso tut sich ein Mann wie Caspar so etwas an? Immerhin hat er als Jurist schon erreicht, wovon andere kaum zu träumen wagen. Caspar hat, als er noch an der Universität arbeitete, dazu beigetragen, das Grundgesetz zu verändern; damals
war es sein Anliegen gewesen, den Tierschutz zum Staatsziel zu machen. Seit 2002 lautet Artikel 20a: »Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäÃigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach MaÃgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung«, und den Anstoà dazu hat Caspar mit einer grundlegenden Abhandlung zu diesem Thema gegeben.
Warum also? Amtsleiter in Hamburg zu werden, war sicher eine Frage der Gelegenheit. Caspar kam nach seiner Habilitation viel herum, arbeitete als Anwalt, war Gastprofessor in Marburg, wurde stellvertretender Leiter des wissenschaftlichen Dienstes im Landtag von Schleswig-Holstein und Honorarprofessor an der Universität Hamburg. Das Amt des Datenschützers ist, wenn man so will, sein Sprung auf den Chefsessel.
Aber zugleich hatte Caspar schon in seiner Zeit in Schleswig-Holstein erkannt, dass Datenschutz vom Rand der politischen Debatte in ihr Zentrum rücken würde. »Ich wusste seither um die Brisanz«, sagt er. Die Kontrolle über seine Daten im digitalen Zeitalter zu verlieren, bedeutet ein Stück seiner Autonomie als Bürger zu verlieren.
Datenschützer ticken so, im Allgemeinen. Der oberste deutsche Datenschützer, der in Bonn, weitab von der Berliner Regierung, untergebrachte Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar zieht aus seiner jahrelangen, oft frustrierenden Arbeit klare Schlüsse. In einem Buch zur Lage des Datenschutzes â mit Das Ende der Privatsphäre betitelt â schreibt er: »Die noch heute gültigen Regelungsansätze mögen in den Achtzigerjahren angemessen gewesen sein; für die heutige Welt der allgegenwärtigen Datenverarbeitung reichen sie nicht mehr aus.« Sie hinkten »seit Jahren der gesellschaftlichen und technologischen Entwicklung hinterher«.
Doch damit nicht genug, schreibt Schaar, es gebe auch noch ein »täglich wachsendes Vollzugsdefizit des Datenschutzes«. Anzeigen von Bürgern und gegängelten Mitarbeitern
»sind meist fruchtlos [...], die Tatbestände, die als Ordnungswidrigkeiten verfolgt werden können, nur lückenhaft und inkonsistent erfasst«. Käme es tatsächlich einmal dazu, dass ein Datenschutzbeauftragter ein BuÃgeld verhängen könne und wolle, handelte es sich um vergleichsweise so geringe Summen (maximal 250.000 Euro bei schweren materiellen VerstöÃen), die »bei GroÃunternehmen nur ein mildes Lächeln« auslösten.
Deutsche Internetpolitik: Versagen durch Unterlassen
Die Datenschutzgesetze sind also an vielen Stellen löchrig, unklar, in technischen Fragen nicht auf der Höhe der Zeit und damit in Teilen nicht praktikabel. Der Staat wird seiner selbst gesetzten Aufgabe nicht gerecht. Und was für den Datenschutz gilt, trifft leider auf viele Gesetze zu, die das Internet regulieren sollen. Eine wiederkehrende Erklärung in Berliner Kreisen dafür lautet, dass nationale Politik wenig ausrichten könne.
»National zu regulieren, damit der Bürger sich sicher fühlt, dieser Anspruch läuft gerade im Internet oft ins Leere«, sagt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
»Die Grenzen zwischen früherer Innen- und
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