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Zeitbombe Internet

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Titel: Zeitbombe Internet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fischermann
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und Irrtum – die optimale und zugleich minimale Regulierung für einzelne Märkte zu entwickeln. Es ist, wenn man so will, die Wiedergeburt der alten ordoliberalen Ideen aus der Gründungszeit der Bundesrepublik in neuer Gestalt: Die Freiburger Schule war überzeugt davon, dass die Politik nur den Rahmen setzen soll – und nicht über einzelne
Geschäftsmodelle oder Unternehmen ihre schützende Hand hält. Die Markt-Designer von heute vertreten die Auffassung, dass Grundsätze gut sind, aber die Politik dem Wettbewerb am meisten hilft, wenn sie mit spezifischen Regeln verhindert, dass einzelne Akteure den Wettbewerb verzerren und den Markt dominieren. Diese Aufgabe ist umso größer, je radikaler ein technischer Wandel einen Markt verändert.
    Doch in der Gesetzgebung zum Urheberrecht wird deutlich, wie schwer sich deutsche und andere Regierungen mit dieser Sichtweise tun.
    Raubkopierer werden in Deutschland, in der EU und in den USA hartnäckig verfolgt. Dieses Vergehen scheint manchen ein marginales, ein unbedeutendes zu sein. Andere finden, Raubkopieren sei das größte Verbrechen im digitalen Zeitalter überhaupt: Nationen, die sich wahlweise als Wissensökonomie oder als Wissensgesellschaft bezeichnen, verhandeln anhand der Musik den Wert, die Verwertungsdauer und den Schutz geistigen Eigentums. Es geht ihnen um den Rohstoff, aus dem ein wachsender Teil ihres Wohlstands entsteht; schließlich berührt das, was für die Musik gilt, auch wissenschaftliche Aufsätze, Baupläne, Verfahren und Designvorlagen, Software und alle anderen Kulturgüter, von Büchern über Filme, Fernsehen, Zeitungen und Zeitschriften bis hin zu Computerspielen.
    Geknackte Computerspiele und raubkopierte Hollywood-Filme sind derzeit angesagter; aber weil die Musik vor zehn Jahren vom technischen Wandel als Erste erfasst wurde, verhandeln die USA und Europa eben anhand der Musik.
    Die Vorgeschichte: Bis Ende der 1990er-Jahre war Musik an ein physisches Trägermedium gebunden. Erst an die Schellackplatte, dann an die Vinylschallplatte, an Kassetten, CD und DVD. Doch auf den letzten beiden Scheiben war Musik schon digital gespeichert, und als sich das Internet verbreitete und die heimischen Computer leistungsstark genug waren, löste sich die Musik von ihrem Trägermedium. Seither lässt sie sich ohne Qualitätsverlust unendlich oft kopieren und rund um die Welt verbreiten.

    In der Zeit davor haben Privatleute ebenfalls Musik kopiert. Einmal fürs Autoradio vielleicht und einmal für einen guten Freund. Kopieren war aufwändig, und außerdem war der Klang einer Kassettenkopie immer deutlich schlechter als der des Originals. Diese Privatkopie war streng gesehen auch eine Urheberrechtsverletzung, aber niemand störte sich daran, nicht die Musikindustrie und nicht der Gesetzgeber, doch diese eingespielte Balance ist im digitalen Zeitalter verloren gegangen.
    Es sind vor allem die Plattenfirmen, die leiden. Sie haben seit den späten Neunzigern rund die Hälfte ihres Umsatzes verloren – während beispielsweise Konzertveranstalter und die Musiker selber weiterhin ganz gut leben. Die Plattenfirmen wollen die neuen Gesetze. Den meisten Druck haben sie in den USA entfaltet, wo drei der vier größten Musikkonzerne ihren Sitz haben.
    Bis 1997 war das Kopieren von Musik und Filmen in den USA nur illegal, wenn man damit Geld verdienen wollte. Mit dem »No Electronic Theft Act« (NET) beendete die US-Regierung diese Tradition. Stattdessen sollte von da an jede Urheberrechtsverletzung, die – in Ladenpreisen berechnet – 1000 Dollar überschreitet, bestraft werden, egal ob wirtschaftliche Motive dahinter stecken oder nicht. Wer verurteilt wurde, musste mit bis zu fünf Jahren Gefängnis und 250.000 Dollar Strafe rechnen. 1999 legte die US-Regierung auf Betreiben der Branchenverbände nach und setzte den Digital Theft Deterrence and Copyright Damages Improvement Act in Kraft, der jede einzelne Urheberrechtsverletzung mit Strafen zwischen 750 Dollar und 30.000 Dollar ahndet.
    Parallel ging der Plattenindustrie-Branchenverband RIAA gegen die Tauschbörsen im Internet vor. Napster musste seine erste Version der Tauschbörse schließen: Ein Gericht urteilte, der Softwareanbieter sei an den Urheberrechtsverletzungen aktiv beteiligt. Bei Napster entschied jeder Nutzer damals per Klick, ob er Musik, die auf seiner privaten Festplatte lag,

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