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Zeitbombe Internet

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Titel: Zeitbombe Internet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fischermann
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anderen zum Kopieren zur Verfügung stellen wollte. Napster konsolidierte all diese Angebote zu einer riesigen Liste im Internet.
Damit, so die Richter, machte sich Napster schuldig. Der ursprüngliche Tauschdienst musste schließen.
    Wie bedeutsam dieses Detail ist, zeigen später die Prozesse gegen drei Nachfolger von Napster, die Tauschbörsen Grokster, KaZaa und Morpheus. Anders als Napster hatten die drei nachfolgenden Softwareunternehmen kein zentrales Register angelegt, in dem stand, wo ein Lied, ein Buch oder ein Film zu finden war. Stattdessen teilten sich das die Nutzer untereinander mit. Die Software war so konstruiert, dass alle Daten im Netz der Nutzer verteilt waren, und deshalb argumentierten die Anwälte von Grokster, KaZaa und Morpheus: Wenn sie verantwortlich sein sollten, dann seien es auch der Internetzugangsanbieter, der Softwareanbieter Microsoft, auf dessen Betriebssystem Windows die Software von Kazaa überhaupt erst lief, und vielleicht auch der Computerhersteller Cisco, dessen leistungsstarke Computer als Knotenpunkte für den Internetverkehr eingesetzt werden. Außerdem sei es den Tauschbörsen in erster Linie darum gegangen, urheberrechtlich nicht geschütztes Material zu verbreiten und so zum Wohle aller beizutragen: damit Juristen besonders interessante Fälle austauschen können, Wissenschaftler ihre Aufsätze, Journalisten ihre Rechercheergebnisse. Die Betreiber der Tauschbörsen bekamen auf ganzer Linie Recht.
    Diese Entscheidung hat weitreichende Folgen über die Kulturindustrie hinaus. Denn sie besagt, dass Internetzugangsanbieter und auch andere technische Dienstleister im Internetgeschäft nicht für die Daten verantwortlich gemacht werden können, die sie verteilen oder speichern, solange sie sich da nicht einmischen.
    Diese Rechtsauffassung hat sich in den USA und in Europa durchgesetzt. Solange ein technischer Dienstleister nicht weiß, was er weiterleitet, speichert oder ermöglicht, kann er nicht belangt werden. Und digitale Daten sind aus seiner Sicht nur ein Strom aus »Einsen und Nullen«, auch wenn sie in Wahrheit Bilder oder Musik oder Filme beinhalten. Spezielle Spionageprogramme, sogenannte Deep Packet Inspection -Technologien könnten trotzdem analysieren und herausfinden,
was in den Datenpaketen steckt. Aber genau das dürfen Internetzugangsanbieter nicht tun. Sie müssen das Fernmeldegeheimnis achten. Sie unterliegen in Deutschland dem Telekommunikationsgesetz (TKG) und in anderen Demokratien vergleichbaren Regelwerken, dürfen also nicht einfach in den Datenstrom »hineinhören« und versuchen, den Inhalt zu entschlüsseln.
    Im Prinzip folgen die europäische und die deutsche Gesetzgebung den gleichen Prinzipien wie die amerikanische. Wer Musik widerrechtlich anbietet, wird verfolgt, die Internetzugangsanbieter lässt man in Frieden. Belegen Anwälte der Industrie gegenüber t-online und Co., dass von einem bestimmten Computer aus widerrechtlich Musik angeboten wird, dann muss t-online den Namen und die Adresse des Kunden herausgeben. »Diese Verfolgung hat deutlich zugenommen«, sagt Fachanwalt Alexander Wachs aus Hamburg. Im vergangenen Jahr sind allein beim Landgericht in Köln rund tausend Anträge im Monat eingegangen. Hiesige Amtsgerichte setzen dann wie in den USA einen (allerdings sehr viel geringeren) Streitwert fest, sie wägen ab, wie lange das raubkopierte Werk bereits verkauft wurde, ob der Beschuldigte ein paar Mal oder in großem Maßstab urheberrechtlich geschützte Werke verbreitet hat – und fällen ihr Urteil. Eine Mutter sollte beispielsweise 3000 Euro zahlen, weil ihre minderjährige Tochter einige Dutzend Lieder angeboten hatte.
    Hacker auf dem Marsch in die Institutionen
    Netz-Aktivisten und eine Reihe von Juristen, Ökonomen und Philosophen meinen zu all dem: Das ist doch kein Diebstahl! Kulturgüter wie Musik und Filme gehörten nach einiger Zeit uns allen. Der Urheber soll gewürdigt werden, das schon, aber sein Recht zur ausschließlichen Verwertung sollte enge Grenzen haben. Je weiter kommerzielle Verwertungsrechte reichten, desto ärmer werde die Kultur insgesamt, und desto mehr Menschen würden kriminalisiert.

    Vor allem eine nicht-kommerzielle Nutzung sollte sehr großzügig erlaubt werden. Viele Raubkopierer wären in diesem Sinne keine Verbrecher, denn sie kopieren nicht, um damit ein Geschäft zu machen. Diese

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