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Zeitbombe Internet

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Titel: Zeitbombe Internet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fischermann
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Position hat der amerikanische Jurist Lawrence Lessig von der Universität Harvard immer wieder vehement vertreten. Und so sehen sie das auch in den Hackergruppen der Welt.
    Â»Teilen ist gut!«, ruft Jeremie Zimmermann in den Saal des Kongresszentrums am Berliner Alexanderplatz.
    Â»Kultur existiert nur durchs Teilen!«, setzt er nach.
    Â»Teilen, herrgottnochmal, das ist es, was wir tun und der Weg, auf dem wir voranschreiten müssen!«
    Er ist an einem der letzten Dezembertage des Jahres 2010 nach Berlin gekommen, um auf Deutschlands größtem Hacker-Kongress, dem 27c3 des Chaos Computer Clubs zu sprechen. Er hat die große Bühne für sich. Seine Thesen prangen meterhoch an der Rückwand des Saales, der aussieht wie das Raumschiff Orion von innen.
    Zimmermann hat einen schwarzen, runden Lockenkopf, Hornbrille, Vollbart, und sein kugeliger Körper steckt in einer Jeans und einem hellgrauen, engen Rollkragenpullover, über dem er eine offene graue Sweatjacke trägt. Er akklamiert. Er kennt seine Gemeinde. Schließlich ist er selbst ein Hacker, dazu aber auch ein politischer Kopf, und so ist er über die Jahre zum Netzaktivisten geworden und hat eine Lobbyorganisation im Zentrum der Europäischen Union, in Brüssel, aufgebaut. Sie heißt La Quadrature du Net und kämpft gegen Musikkonzerne, gegen Hollywood und gegen EU-Richtlinien, durch die Zimmermann und seine Mitstreiter ihre Freiheiten und die des Internet insgesamt bedroht sehen: »Diese protektionistische Politik schränkt meine Möglichkeiten, kreativ zu sein, ein und verletzt mein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. «
    Und die Künstler?
    Â»Ich sehe, dass es ein Problem damit gibt, kreative Arbeit in der digitalen Welt zu finanzieren, aber dann sollten wir lieber darüber nachdenken, wie wir sie finanzieren oder subventionieren
können. Die französische Filmkultur ist auch nur deshalb so lebendig, weil sie von der Allgemeinheit mitfinanziert wird.«
    Leute wie Zimmermann leiten ihre Haltung aus ihrem Wissen um die technischen Möglichkeiten von Computersystemen und ihrer Erfahrung ab: Software entsteht immer nur in der Gemeinschaft. Niemand ist heutzutage mehr in der Lage, komplexe Programme allein aus dem Genie seines eigenen Geistes zu entwickeln. Jeder Programmierer baut auf der geistigen Arbeit anderer auf, er kopiert die besten Code-Stücke und setzt sie, mit seinen eigenen Ideen kombiniert, zu etwas Neuem zusammen.
    Gewachsen ist diese Idee, seit vor fünfzig Jahren an Universitäten wie dem amerikanischen Massachusetts Institute of Technology bei Boston die ersten Großrechner standen. Diese Computer waren unfassbar teuer, die Zeit an der Steuerkonsole dementsprechend kostbar und tagsüber hochdekorierten Wissenschaftlern vorbehalten, die mithilfe der Rechner ihre Studien auswerten wollten. Nur nachts und an den Wochenenden konnten sich junge Studenten versuchen, die etwas ganz anderes im Sinn hatten. Durch Versuch und Irrtum brachten sie der Maschine immer neue Fertigkeiten bei, sie erkundeten die technischen Möglichkeiten.
    Wenn man so will, waren sie die Pioniere der heutigen Softwareindustrie, auch wenn ihre Namen nur noch wenigen etwas sagen: Peter Samson, Slug Russel, Alan Kotok. Sie gehörten zu den ersten Hackern, schrieben Programme und entwickelten unter anderem sogenannte Assemblersprachen. Diese erleichterten das Programmieren enorm, weil man nicht mehr direkt einen binären Code eingeben musste, sondern Befehle, die der Computer in seinen Code übersetzte. Weil die Zeit so knapp und das Terrain so unbekannt war, teilten diese ersten Hacker alles. Es war ein gemeinsames Abenteuer, und so ließen sie am MIT ihre damals noch auf Lochpapier geschriebenen Programme in einer Schublade liegen. Jeder konnte sie nutzen. Jeder durfte sie weiterentwickeln. Es war ihre Art, ohne kommerzielle Hintergedanken zu forschen,
und diese Haltung hat sich aus den Universitäten bis heute in Hacker-Kreise fortgepflanzt.
    Wer es schafft, dem Computer etwas Neues zu entlocken oder ein fertiges Programm zu verbessern, dem wird Hochachtung zuteil. Nicht Alter, kein akademischer Grad, sondern ausschließlich die Fähigkeit, einen Rechner zu beherrschen und zu programmieren, entscheidet über den Status in der Gruppe. Woran sie glaubten, fassten die ersten Hacker irgendwann in fünf Sätzen zusammen:
Alle Information sollte frei sein.
Misstraue Autoritäten

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