Zeitbombe Internet
â unterstütze Dezentralisierung!
Hacker sollten nach ihren Fähigkeiten beurteilt werden und nicht nach Kriterien wie Diplom, Alter, ethnischer Zugehörigkeit oder beruflicher Karriere.
Programmieren kann eine Kunst sein â und wahre Schönheit hervorbringen.
Computer können das Leben aller verbessern.
Sicher, von den klobigen Maschinen von damals, dem TX-O (einem Eigenbau des MIT) und später dem PDP-1 von der Digital Equipment Corporation ist es ein weiter Weg zu den heutigen Computern und zum Internet. Doch die Hacker-Ethik, die sich damals herausbildete, ist bis heute geistiger Bezugspunkt.
Jeder Stuhl im Berliner Congress Zentrum ist besetzt. Zimmermann spricht zur deutschen Hacker-Gemeinde. Bleiche Jungs in der Pubertät sitzen neben jungen Männern, die ein Informatik-Studium schon hinter sich haben und bei einem groÃen deutschen Unternehmen arbeiten. Einige zeigen ganz bewusst, dass sie einer Hacker-Subkultur angehören. Sie tragen T-Shirts mit Botschaften wie »Stasi 2.0« (darüber ein Bild von Wolfgang Schäuble) oder »code.google.soc«. Andere haben sich extravagante Frisuren zugelegt: Es gibt Hunnenzöpfe, halb rasierte Irokesen, akkurate Rastalocken und viele wehende Mähnen. Androgyne Männer betonen ihre feminine Seite.
DrauÃen im Foyer sitzen die Hardware-Hacker beisammen. Ein halbes Dutzend von ihnen schraubt kleine Hubschrauber zusammen, die von mehreren Rotoren stabil in der Luft gehalten werden und die von oben herab mit einer kleinen Kamera Filmaufnahmen machen. Einst als Hacker-Idee entstanden, ist inzwischen ein kleines Unternehmen daraus gewachsen. Bei Amazon gibt es die fliegenden Kameras für 299 Euro, und man kann noch die spielerische Idee erkennen, mit der alles einmal angefangen hat.
Eine Etage darunter, im Erdgeschoss, hat in einer kleinen Ecke ein Buchladen seinen Tisch aufgebaut und verkauft Bücher wie »Nazis on Speed. Drogen im 3. Reich«, »Entschwörungstheorie. Keiner regiert die Welt«, »Operation Erleuchtung. 60 Jahre LSD Erfahrung« und wahlweise »Psychoaktive Kakteen« oder »Psychoaktive Pilze«. Es gibt kein Gedränge um die Bücher und den Stand, aber allein, dass er dort steht, ist ein weiteres kleines Symbol für die Freude am Nonkonformismus â und ein groÃer SpaÃ, glaubt man der Reaktion jener Besucher, die eines der Bücher in die Hand nehmen.
Jeremie Zimmermann hat oben im Saal ein ernstes Anliegen. Grundsätzlich streitet er für ein offenes Internet, gegen Netzsperren, gegen die umfassenden Verwertungsansprüche der Industrie bei geistigem Eigentum. Letzteres hat ihn auch nach Berlin geführt. Er befürchtet, ein geplantes internationales Abkommen namens ACTA würde dazu führen, dass Betreiber und Nutzer von Tauschbörsen künftig noch intensiver verfolgt würden. AuÃerdem, und das betont er wieder und wieder, glaubt er: Die Unterzeichnerstaaten würden sich mit ACTA die Möglichkeit schaffen, die Gerichte auszuschalten, weil es im Entwurf sehr schwammig heiÃt, Internetzugangsanbieter seien »zur Kooperation« verpflichtet, und wer Urheberrechtsverletzungen unterstütze oder ihnen Vorschub leiste, werde ebenfalls bestraft. Zimmermann befürchtet, dass sich Internetzugangsanbieter künftig genötigt sähen, Daten über ihre Nutzer ohne eine gerichtliche Anordnung zu sammeln und herauszugeben. Auch ÃuÃerungen des deutschen Staatsministers für Kultur im Bundeskanzleramt, Bernd Neumann,
lassen sich so interpretieren: Er wolle die »Möglichkeiten der Selbstregulierung unter Beteiligung von Rechteinhabern und Internetserviceprovidern fördern«.
Aber die Umsatzverluste der Industrie!
»Wie viel Tauschbörsen dem Geschäft schaden, ist unbewiesen. Studien deuten eher auf das Gegenteil. Dass die maximale Verbreitung vor allem kleinen und unbekannten Künstlern hilft.«
Meint er das ernst?
»Es gibt viele Faktoren, die Einfluss haben. Die Plattenfirmen haben ihr Marketing-Budget in den vergangenen Jahren auf wenige, groÃe Künstler konzentriert, die Menschen haben mehr Geld für Live-Konzerte ausgegeben. Es gibt viele Faktoren, die eine Rolle spielen. Wir sollten darüber diskutieren und nicht einfach die Zahlen der Industrie übernehmen.«
Zweifel säen will er. Das zentrale Argument von Musikindustrie und Gesetzgebern aus den vergangenen zehn Jahren erschüttern. Aber
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