Zeitbombe
haben?«
Gecks schluckte deutlich sichtbar.
»Hmm«, machte er.
»Was heißt dieses Hmm?«, wollte Lenz wissen, nachdem der weißhaarige Hauptkommissar nicht weitergesprochen hatte.
»Derjenige, an den ich mich am besten erinnere, ist Ludger Brandt.«
Eine gefühlte Ewigkeit lang herrschte absolute Stille im Raum. »Das ist ja mal ein Knaller«, bemerkte Thilo Hain schließlich trocken.
»Aber ihr solltet euch wirklich keine ernsthaften Hoffnungen machen, dass dieser Bornmann für die Täterschaft infrage kommt«, bremste Gecks die Gedanken seiner Kollegen. »Der ist nämlich garantiert schon mindestens fünf oder sechs Jahre wieder auf freiem Fuß. Also, warum sollte er gerade jetzt plötzlich damit anfangen, die vermeintlichen Falschaussager von damals umzubringen?«
»Wobei natürlich überhaupt nicht bewiesen ist, dass die Kollegen damals gelogen haben«, schränkte Gecks ein. »Es gab Zweifel, die manchem, wie mir zum Beispiel, auch berechtigt erschienen, aber immerhin ist er von zwei voneinander unabhängigen Instanzen verurteilt worden.«
»Was mich wundert«, warf Thilo Hain einen völlig neuen Gedanken in die Runde, »ist, dass ich nie etwas von dieser Geschichte gehört habe. Ich meine, hey, hier geht es immerhin um einen spektakulären Mordfall.«
»Das wiederum soll nach meiner Meinung nichts heißen«, entgegnete Gecks. »Irgendwie hat sich damals so etwas wie der Korpsgeist durchgesetzt, wobei ich mal dahingestellt lasse, ob das richtig oder falsch war. Als die Sache abgehakt war, gab es eben Wichtigeres zu tun. Und ihr dürft auf keinen Fall vergessen, dass nach der Grenzöffnung ’89 das Verbrechen über Kassel hereingebrochen ist wie eine Horde Verhungernder über einen Supermarkt. Wir hatten damals wirklich anderes zu tun, als uns um das vermeintlich falsche Urteil gegen einen Mörder zu kümmern.«
Lenz dachte einen Augenblick lang nach.
»Wenn ich es richtig auf die Reihe kriege, saß Ludger damals auf meinem heutigen Stuhl, was nichts anderes bedeutet, als dass er die Ermittlungen geleitet haben dürfte.«
Seine Kollegen stimmten ihm zu.
»Also hätte er, wenn er gewollt hätte, die Ermittlungen manipulieren können.«
»Mein lieber Mann«, meldete sich Uwe Wagner zu Wort, »das ist schon ziemlich harter Tobak, den du ihm hier unterstellst, Paul. Ich kann zwar nicht sagen, dass mich eine dicke Freundschaft mit Ludger verbindet, aber das geht mir doch ein klein bisschen zu weit.«
»Da ist er wieder, der vielbeschworene Korpsgeist«, ätzte Hain.
Wagner sah ihn entrüstet an.
»Hör bloß mit diesem Scheiß auf, Thilo. Wenn einer hier in diesem Raum einen dicken Haufen auf Korpsgeist scheißt, dann doch wohl ich; aber das, was Paul schlussfolgert, ist wirklich alles andere als belastbar.«
»Es soll ja in diesem Augenblick auch gar nicht belastbar sein, Uwe«, verteidigte Lenz sich. »Ich werte dabei aber auch, dass Ludger sich vom ersten Moment an in die Sache mit den Morden an den Kollegen reingehängt hat und Thilo und ich wegen seinem Unsinn mit dem Russen gestern fast ins Gras gebissen hätten.«
»Kannst du dich denn erinnern, RW«, fuhr Wagner ungerührt fort, »ob die Namen Schneider und Humpe im damaligen Verfahren eine Rolle gespielt haben?«
Gecks schüttelte den Kopf.
»In diesem Verfahren haben die Namen von mindestens einem Dutzend Kollegen eine Rolle gespielt, aber bis auf Ludger kann ich mich nur an einen konkret erinnern, und der ist schon vor mehr als zehn Jahren einem ziemlich üblen Karzinom erlegen.«
Lenz stand auf, zog ein Flipchart aus der Zimmerecke und schob es in den Raum. Dann griff er nach einem der Stifte in der Ablage und fing an zu malen. Als er fertig war, konnten seine Kollegen das komplette Beziehungsgeflecht zwischen den aktuellen Morden und dem damaligen Mordfall nachvollziehen.
»Allerdings steht und fällt alles, was wir hier machen, mit der Information, wo Rüdiger Bornmann sich aufhält. Wenn er schon seit langer Zeit tot ist oder in Australien lebt, haben wir die Arschkarte gezogen. Als Nächstes will ich alle alten Akten zu dem Fall sehen, die noch verfügbar sind. Und ich will wissen, wer in den Prozessen der Verteidiger von Bornmann gewesen ist.«
»Das klingt nicht so, als wäre ich in einer halben Stunde hier raus«, warf Rolf-Werner Gecks dazwischen.
»Weiter«, ging Lenz nonchalant über seinen Einwand hinweg.
»Wir müssen herausfinden, ob …«
Er unterbrach sich, weil Wagner aufgestanden war.
»Was ist los,
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