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Zeitbombe

Titel: Zeitbombe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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von über 70, hat mich gebeten, ihn hierzubehalten, weil er da draußen niemanden mehr kannte und auch gar niemanden mehr kennen wollte. Aber es hat nichts geholfen, Anfang des Jahres wurde er entlassen.«
    »Wie ergeht es ihm jetzt da draußen, in Freiheit?«
    »Er hat sich zwei Wochen, nachdem sich die Tore für ihn geöffnet hatten, erhängt.«
    »Oh.«
    »Ja. Er hat es vermutlich nicht ertragen, noch in dem Altersheim, in dem er untergebracht war, auf Schritt und Tritt verfolgt und überwacht zu werden, wie das mit all jenen Sicherungsverwahrten geschieht, die nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entlassen werden mussten.«
    »War er denn noch immer gefährlich?«
    Schamberg lachte laut auf.
    »Diese Frage kann man eindeutig mit Nein beantworten. Der Mann war, wie gesagt, über 70, litt an schwerer Diabetes und hat auf einem Auge noch 35 Prozent Sehleistung gehabt; das andere war schon komplett erblindet. Er hat insgesamt 38 Jahre seines Lebens im Knast verbracht, davon die letzten 33 am Stück. Ein notorischer Dieb und brutaler Räuber, ganz unbestritten, aber zum Schluss auch ein ganz armer Hund, der vor nichts mehr Angst hatte als vor dem Leben in Freiheit.«
    »Ein wirklich tragischer Fall«, gab Lenz unumwunden zu. »Meinen Sie, wir können kurz mit dem Aufseher sprechen, der Bornmann angeblich bei seinen unbehinderten Leibesübungen beobachtet hat?«
    »Warten Sie, da muss ich telefonieren. Wir arbeiten hier im Drei-Schicht-Betrieb, deshalb ist es gar nicht so einfach, einen bestimmten Mitarbeiter zu erwischen.«
    Er griff zu dem Apparat auf dem Schreibtisch und wählte eine Nummer. Kurze Zeit später wusste er Bescheid.
    »Ja, Sie können mit ihm sprechen. Sein Name ist Horst Kohler, und Sie finden ihn …«
    Er dachte ein paar Sekundenbruchteile lang nach.
    »Lassen Sie mal, ich bringe Sie hin. Das ist ohnehin besser, sonst brauchen Sie eine Ewigkeit, bis Sie dort sind.«
     
    Es dauerte selbst mit Dr. Schamberg als Fremdenführer eine kleine Ewigkeit, weil sie ein halbes Dutzend Sicherheitsschleusen passieren mussten. Dann jedoch hatten sie die Station erreicht, auf der Kohler Dienst tat, und fanden ihn in einem kleinen Büroraum.
    »Guten Tag, Herr Kohler«, begrüßte Lenz den etwa 60-jährigen Mann, nachdem der Arzt sich verabschiedet hatte.
    »Guten Tag. Was kann ich denn für die Kripo Kassel tun?«
    Der Hauptkommissar trug sein Anliegen vor und sah danach in das faltige, ein wenig ungesund wirkende Gesicht des Justizbeamten.
    »Ach, Sie kommen wegen dem Rüdiger«, gab der in keiner Weise überrascht zurück. »Ich hab’s ihm ja prophezeit.«
    »Was haben Sie Bornmann prophezeit?«
    »Dass er wieder bei uns landen wird. So oder so.«
    »Wie meinen Sie das?«
    Kohler griff zu einem Päckchen Zigaretten auf dem übervollen Schreibtisch, angelte sich einen Glimmstängel heraus und zündete ihn an.
    »Wollen Sie mir nicht erst mal sagen, worum es geht?«, wollte er wissen, während er genüsslich die erste Ladung blauen Dunst in den Raum blies. Hain, seines Zeichens militanter Nichtraucher, hätte den Mann erwürgen können.
    »Gegen Herrn Bornmann liegt eigentlich noch gar nichts vor«, bemühte sich der Oberkommissar, möglichst neutral auf seine Frage zu antworten. »Wir ermitteln in einer Sache, bei der er eventuell als Zeuge infrage kommt.«
    Wieder ein Zug an der Zigarette.
    »Ach, kommen Sie, das können Sie Ihrer Großmutter erzählen, aber nicht einem alten Schließer wie mir kurz vor der Rente. Also, Butter bei die Fische, was hat er ausgefressen?«
    »Stimmt es«, wollte Lenz nun wissen, ohne auf seine Nachfrage einzugehen, »dass Sie ihn einmal dabei beobachtet haben, wie er, ohne im Geringsten behindert zu wirken, irgendwelche Leibesübungen gemacht hat?«
    Kohler nickte.
    »Und das nicht nur einmal, sondern mehrmals. Wenn Sie mich fragen, aber das tut hier schon lange niemand mehr, hat der die ganze Sache mit dieser ominösen Behinderung nur erfunden. Der hat hier alle auf die Rolle genommen, inklusive der gesamten medizinischen Abteilung, da würde ich meinen Allerwertesten drauf verwetten.«
    »Gab es noch andere Zeugen dafür, oder sind Sie der Einzige, der ihn so gesehen hat?«
    Der Mann mit der blauen Uniform und der chicen Mütze auf dem Kopf reagierte nun fast ungehalten.
    »Ach, hören Sie doch auf. Die meisten hier drin wissen, dass Bornmann eine Schau abgezogen hat, damit er früher wieder rauskommt. Es sind dann allerdings ein paar Sachen nicht so

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