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Zeitbombe

Titel: Zeitbombe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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jemals wieder in Freiheit kommen würde. Es war ganz im Gegenteil so gut wie sicher, dass er innerhalb der Mauern dieses Gefängnisses sterben würde. Also, warum hätte er diese Behinderung vortäuschen sollen?«
    »Moment, Herr Doktor«, widersprach Lenz nun energisch. »Sie sagten, dass seine Verletzung und die daraus resultierende Behinderung um die zehn Jahre zurückliegen. Wenn ich es richtig sehe, konnte er zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wissen, dass irgendwann die Sicherungsverwahrung gegen ihn angeordnet werden würde. Also könnte es durchaus sein, dass er sich einen Vorteil davon versprochen haben könnte, als behindert zu gelten.«
    Schamberg griff nach einem Kuli auf dem Tisch und begann, mit dem Stift zu spielen.
    »Das mag richtig sein, Herr Kommissar. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass Herr Bornmann seine Behinderung nicht simuliert hat oder noch immer simuliert.«
    »Gibt es keine Tests, denen man ihn hätte unterziehen können? Ich meine nicht hier in der Anstalt, sondern bei einem Arzt außerhalb?«
    Der Arzt dachte kurz nach.
    »Selbstverständlich gibt es Tests in dieser Richtung, und es gibt auch Spezialisten für diese Problemstellung, ganz ohne Frage. Aber noch einmal die Rückfrage: Wem hätte es nützen sollen, ihn als Simulanten zu überführen? Und die nächste Frage schließt sich gleich an. Wissen Sie, was derartige Untersuchungen für Kosten nach sich ziehen?«
    Er warf den Kuli zurück auf den Tisch.
    »Das geht in die Tausende, und dafür ist in der Staatskasse einfach keine Luft. Das war, auch und speziell aus finanziellen Erwägungen, einfach nicht zu leisten.«
    »Immerhin sind Sie der festen Überzeugung, dass er nicht simuliert hat.«
    »Das bin ich, ja, und davon lasse ich mich auch nicht abbringen.«
    »Das wollen wir doch auch gar nicht, Herr Doktor«, beschwichtigte Lenz den nun merklich erregt wirkenden Gefängnisarzt. »Was mich aber noch interessieren würde, ist, ob das, was Herr Bornmann offenbar als bleibenden Schaden davongetragen hat, plausibel ist. Kann man die Behinderung und die Verletzungen in eine vernünftige Relation aus Ursache und Wirkung setzen?«
    »Absolut«, erwiderte Schamberg wie aus der Pistole geschossen. »Das Schädel-Hirn-Trauma und die Lähmungserscheinungen, die als Folge davon aufgetreten sind, stehen in einer direkten Verbindung zueinander. Auch und gerade deshalb bin ich mir so sicher, dass er eben nicht simuliert.«
    »Ich hätte noch eine letzte Frage, Herr Dr. Schamberg«, meinte Hain, der mittlerweile seinen Notizblock gezückt hatte und mitschrieb.
    »Wie genau äußert sich sein Handicap? Was kann er machen, was nicht?«
    »Herr Bornmann hat eine etwa 70-prozentige Lähmung im rechten Bein. Er ist beim Gehen auf eine unterstützende Hilfe angewiesen; in der Regel bedient er sich eines Stockes.«
    »Hat das auch Auswirkungen auf seine sonstige Leistungsfähigkeit?«
    »Aber natürlich. Ich könnte jetzt sehr ins Detail gehen, doch das möchte ich gar nicht. Wir haben bei ihm zum Beispiel eine ungleichmäßige Abnutzung der Hüftgelenke diagnostiziert, die man durchaus als sehr schmerzhaft bezeichnen kann, und die auch gegen die Simulantenthese spricht.«
    »Wie sieht es mit Heben und Tragen aus?«
    Schamberg schüttelte den Kopf.
    »Bitte, vergessen Sie nicht, dass wir von einem Strafgefangenen sprechen, der mehr als 20 Jahre eingesessen hat. Und der in dieser gesamten Zeit, wenn ich recht informiert bin, niemals irgendwelche sportlichen Aktivitäten unternommen hat. Seine Gesamtkonstitution wäre mit schlecht sehr wohlwollend umschrieben. Haben Sie ihn denn nie getroffen?«
    »Nein, noch nicht.«
    »Schade. Ich hätte zu gern gewusst, wie es ihm draußen ergeht.«
    »Warum?«
    Der Arzt ließ sich wieder in seinen Stuhl zurückfallen und sah die beiden Polizisten erstaunt an.
    »Nun, weil er eigentlich keine Ahnung hat, wie das Leben vor dem Tor der Strafanstalt funktioniert. Er wird vielen Dingen vermutlich mehr als ratlos gegenüberstehen.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel dürfte er noch nie ein Mobiltelefon in der Hand gehalten oder seine Fahrkarte in der Straßenbahn am Automaten gekauft haben. Die ganze Welt hat sich verändert, während er auf dem Planeten JVA Kassel gelebt hat. Ich weiß nicht genau, wie es bei Herrn Bornmann ist, aber ich habe mit anderen Gefangenen oder Sicherungsverwahrten gesprochen, die sich ganz furchtbar davor gefürchtet haben, da draußen nicht mehr zurechtzukommen. Einer davon, ein alter Mann

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