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Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Flohr
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Tagen.«
    »Was?«
    »Dass die französische Armee die deutsche Besatzungspolizei vertreibt! Und die Untergrundbewegung gleich mit.«
    »Was haben die Franzosen denn gegen die?«
    »Das fragst du? Sie wollen die Unabhängigkeit, wollen weder von den einen noch von den anderen regiert werden.«
    »Und was ist dagegen zu sagen?«
    »Also, allmählich mache ich mir so meine Gedanken! Sind das Fragen, die mein Bruder ebenfalls stellt? Ich will doch nicht hoffen, dass ihr zu diesen Leuten gehört – dein Vater und du? Damit bringt ihr die ganze Familie in Gefahr!«
    Adèle blickte zu Boden und antwortete nicht. Sie hatte es bislang vermieden, in Verdun Kontakt zu Mitgliedern der Untergrundbewegung aufzunehmen. Nun kam ihr der Gedanke, dass es nötig sein könnte, sie vor denen zu warnen, die man bisher für Freunde gehalten hatte.
    »Mach dir keine Sorgen«, erwiderte Adèle, »dir wird nichts geschehen.«
    Noch in derselben Nacht verließ sie Verdun und machte sich auf den Weg nach Lagarde.

Vorgärten
    Energisches Klopfen an der Tür weckte Helène am Morgen nach dem Fest. Sie öffnete das Schlafzimmerfenster und blickte in den Hof. Unten sah sie eine Gruppe von Reitern, einer von ihnen war abgestiegen und stand auf der Treppe vor der Tür. Er wollte gerade erneut klopfen, als er sie erblickte. »Madame, verzeihen Sie unser Eindringen«, sagte er mit einer Verbeugung, »aber es ist Krieg. Bitte öffnen Sie.« Zum zweiten Mal innerhalb weniger Stunden glaubte jemand, sie darauf aufmerksam machen zu müssen, dassKrieg herrsche, diesmal war es ein französischer Kavallerie-Offizier, kaum älter als Wilhelm. Er trug die hellrote Hose und den blauen Rock der französischen Soldaten, wie Helène sie als Kind häufig gesehen hatte, wenn ihr Vater sie auf dem Pferdefuhrwerk mitgenommen hatte nach Nancy oder Verdun, um Wein zu verkaufen. Die jungen Männer in den makellosen Uniformen waren der Blickfang auf den Straßen gewesen. Helène lächelte. »Das hat sich mittlerweile selbst bis zu mir herumgesprochen«, rief sie hinunter und wies ihn an, die Pferde hinters Haus zu bringen.
    Nachdem sie kurze Zeit später angekleidet auf den Hof trat, schienen ihr die Männer aus der Nähe betrachtet nicht mehr ganz so makellos. Ihre Uniformen waren staubig, manche eingerissen, sie selbst und ihre Pferde verschwitzt. »Ich muss Sie noch einmal um Verzeihung bitten«, sagte der Leutnant unverändert höflich, »aber es werden noch weitere Soldaten erwartet, viele Soldaten. Wir sind gehalten, in den Häusern des Ortes Quartier zu nehmen. Ich bedaure die Unannehmlichkeit, die dies für Sie mit sich bringt, aber ich muss Sie ersuchen, uns Ihr Haus zur Verfügung zu stellen.«
    »Ich danke Ihnen für Ihre Höflichkeit«, antwortete Helène, »aber wie Sie schon sagten: Es ist Krieg. Und da sind solche Unannehmlichkeiten wohl das geringste Übel.«
    Im Laufe des Vormittags trafen immer mehr Soldaten in Lagarde ein, die in langen Kolonnen auf der Straße am Kanal heranmarschierten, Pferde zogen Artilleriegeschütze in die Getreidefelder, eine Seilwinde zog Maschinengewehre auf den Kirchturm empor. Die Bewohner von Lagarde standen anfangs verwirrt in ihren Vorgärten, dann boten sie ihre Hilfe an. Gemeinsam mit den Soldaten schleppten sie die Möbel aus ihren Häusern und errichteten am Straßenrand Barrikaden.
    Im Gutshaus hatte sich der Führungsstab der französischen Truppen eingerichtet. Die Esstische waren zu langen Schreibtischen zusammengeschoben worden, auf denen Landkarten ausgebreitet waren. Ein General hatte im Salon sein Quartier aufgeschlagen. Es war ein Kommen und Gehen, wie es das Haus noch nie erlebt hatte.
    Am Abend schienen die Vorbereitungen abgeschlossen, es lag Ruhe über Lagarde. Helène hatte sich während des Tages in der oberen Etage aufgehalten. Sie wollte nicht stören. Nur einmal war sie in die Küche gegangen und hatte sich Essen geholt. Sie wusste daher nicht, was unten im Haus und sonst im Dorf geschah, als sie sich am Abend sehr früh schlafen legte. Sie verspürte keinerlei Furcht, sie verschloss nicht einmal die Tür ihres Schlafzimmers – schließlich waren es Landsleute, die sie in ihr Haus gelassen hatte. Irgendetwas gab ihr das Gefühl, dass alles seine Ordnung habe.
    *
    Das Gefühl trog. Die Standuhr zeigte Punkt sieben, als Helène ihre Augen aufschlug, ein dumpfes Grollen hatte sie aus dem Schlaf gerissen. Sie setzte sich auf und hörte, dass unten im Haus Bewegung war, Schritte und Rufe drangen zu ihr

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