Zeiten des Verlangens
holte einen Schlüsselbund hervor und sperrte die Vitrine auf. Dann reichte sie Regina die Maske.
»Probiere sie an«, ermunterte Sebastian sie, als er ihr Zögern bemerkte, und streifte sie ihr über den Kopf. Er half ihr, sie zurechtzurücken, sodass sie auf dem Nasenbein saß. Regina war überrascht, wie klar sie durch die Augenlöcher sehen konnte. Erstaunlich war auch, wie solide sich die Maske anfühlte, ganz anders als die Pappdinger, die auf Silvesterpartys ausgeteilt wurden.
Pamela reichte ihr einen Spiegel. Regina sah sich an und lächelte.
»Schön«, meinte sie.
»Das war ja einfach«, kommentierte Sebastian. »Es gibt doch nichts Schöneres als eine entschlussfreudige Frau.« Er lächelte sie anerkennend an, und Regina spürte ein Gefühl der Befriedigung in ihrem Bauch anschwellen. Sie war nicht gewohnt, ihm außerhalb des Schlafzimmers zu gefallen. Es war ein gutes Gefühl. Es weckte Hoffnung in ihr, dass sich ihre Beziehung vielleicht doch noch auf eine weitere Ebene ausweiten konnte.
Regina nahm die Maske ab und reichte sie Pamela.
»Sonst noch etwas heute?«, erkundigte sie sich und ging auf die Kasse im vorderen Ladenteil zu.
»Im Moment nicht«, meinte Sebastian. »Aber wenn wir in der Stadt nicht fündig werden, kommen wir vielleicht zurück.«
Der Wagen wartete draußen auf sie.
»Wozu sollte das gerade gut sein?«, fragte Regina und nahm die schwarze Einkaufstasche von ihm entgegen.
»Wir gehe heute Abend auf den Bondage-Ball«, sagte er und hielt ihr die Tür zum Mercedes auf. Heute fuhr er selbst, und Regina saß auf dem Beifahrersitz. Das gefiel ihr besser, als wie üblich von einem Chauffeur herumkutschiert zu werden.
»Großer Gott, was ist denn das?«
»Es ist kein richtiger Ball – nur eine große Party«, erklärte Sebastian. »Aber Bondage ist ein Teil davon.«
Regina musste schlucken. »Hältst du das wirklich für eine gute Idee? Ich meine, ich finde okay, was wir machen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, irgendwo in der Öffentlichkeit …«
»Es ist nicht öffentlich. Es ist eine Privatparty. Ursprünglich hatte ich nicht vor hinzugehen. Aber nach unserem Streit wegen Sloan dachte ich, wir könnten vielleicht eine kleine Übung in Vertrauen brauchen.«
»Das war kein richtiger Streit …«, wandte Regina ein.
»Dann eben ein Missverständnis. Wie immer du es nennen willst.« Er drückte ihre Hand. »Da habe ich noch einmal über den Ball nachgedacht. Ich glaube, er wird uns guttun.«
»Wird Sloan auch da sein?«
»Nein«, sagte er. »Warum sollte sie?«
»Du hast gesagt, sie wäre in der Szene … oder ›Community‹, oder wie du es genannt hast.«
»Ach ja. Aber nicht mehr so sehr seit ihrer Verlobung. Ihr Zukünftiger ist mehr der Blümchentyp.«
Regina hatte keine Ahnung, was das bedeuten sollte. Dass er romantisch war?
»Bin ich denn kein Blümchentyp?«
Er lachte. » Du bist hinreißend.«
»Mach dich nicht über mich lustig«, schimpfte sie und kam sich dumm vor.
»Das tue ich nicht! Siehst du denn nicht, dass ich vollkommen verrückt nach dir bin? Du wachst morgens auf, und ich habe bereits unseren ganzen Tag geplant … und die Nacht. Ich kann an nichts anderes mehr denken, Regina. Ich stehe vollkommen unter deinem Bann. Ich bin besessen. Ich komme mir vor wie verzaubert von einer dieser Feen an der Wand im Guinevere.«
Regina wandte den Blick ab und sah aus dem Seitenfenster. »Und wo fahren wir jetzt hin?«
»Zu Louboutin. Du kannst doch nicht zu einem Ball gehen ohne den passenden Aschenputtel-Schuh«, sagte er mit einem Augenzwinkern.
❊ ❊ ❊
Das Jane Hotel war ein hundert Jahre altes georgianisches Gebäude an der West Side. Die ehemalige Zwischenstation für reisemüde Seeleute, die man kürzlich wiederbelebt und in ein ultrahippes Boutique-Hotel umgewandelt hatte, war Veranstaltungsort für den Bondage-Ball.
»Dieses Haus hat Geschichte«, erklärte Sebastian. Regina klammerte sich an seinen Arm bei ihren Bemühungen, in den neuen High Heels über das Kopfsteinpflaster des Meat Packing District zu stöckeln. Dabei galt ihre Sorge weniger einem Sturz als der Unversehrtheit ihrer Schuhe. Es waren die reinsten Kunstwerke. Acht Zentimeter hoch, schwarzer Satin mit den typischen roten Sohlen und besetzt mit Kristallen in Form von Schneeflocken.
»Um die Vergangenheit mache ich mir im Moment weniger Sorgen«, bemerkte Regina. »Eher um die Gegenwart.« Die Bezeichnung »Bondage-Ball« hallte noch immer in ihren Ohren nach. Und sie
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