Zeitenlos
fragen.«
»Okay, ich glaube, die habe ich.« Ich beugte mich nach rechts und öffnete das Handschuhfach. Einige Papiere fielen auf den Boden. Ich sah den Schatten, der sich mit einer Taschenlampe näherte, konnte aber nicht gleichzeitig meine Tasche durchsuchen, mich um das Papierchaos kümmern und mit Wes telefonieren.
»Bleib dran, Wes, ich muss das Handy hinlegen.« Ohne seine Antwort abzuwarten, legte ich es auf den Beifahrersitz und bückte mich, um meine Wagenpapiere zu suchen. Dabei sah ich, dass die Versicherungskarte noch im Handschuhfach lag. Ich richtete mich wieder auf und obwohl ich wusste, dass der Polizist im Anmarsch war, erschreckte ich mich, als er an die Scheibe klopfte. Ich zuckte zusammen und blinzelte, weil mich der grelle Schein der Lampe blendete. Ich ließ das Fenster herunter, um mit ihm zu sprechen. Er verschwendete keine Zeit, mich zu schelten.
»Haben Sie eine Ahnung, wie schnell Sie gefahren sind, junge Frau?«
»Ähm, nein, habe ich nicht. Es tut mir leid.«
Er beugte sich näher ans Fenster und beleuchtete mein Gesicht. Ich blinzelte und musste wegsehen. Er trat einige Schritte zurück.
»Steigen Sie bitte aus!« Die Stimme war tief und Respekt einflößend, doch mit dieser Aufforderung hatte ich nicht gerechnet.
»Bitte?«, fragte ich nach.
»Sie sollen aussteigen.«
Ich hatte genügend Krimis gesehen, um zu wissen, dass so etwas wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung nicht üblich war. »Warum?«, entgegnete ich und versuchte, dem Lichtschein auszuweichen.
Der Polizist seufzte ungeduldig, aber ich weigerte mich, seinem Befehl Folge zu leisten, ehe ich nicht ganz sicher war, richtig gehört zu haben. Er sagte einige Sekunden gar nichts, dann murmelte er sehr langsam und sehr beherrscht: »Lenny, Lenny, Lenny. Du bist immer noch so rebellisch.«
Ich verrenkte mir den Kopf, um trotz des Lichtstrahls etwas sehen zu können. Während ich noch versuchte, dem Schatten ein Gesicht zu geben, sah ich ein weißes Tuch auf mich zukommen. Der Stoff wurde mir gewaltsam über Mund und Nase gedrückt, und ich atmete einen süßlichen, stechenden Geruch ein. Ich versuchte zurückzuweichen, aber die Hand, die das Tuch hielt, drückte nur noch fester. Als ich begriff, dass das kein normaler Stoff war, wollte ich schreien, aber meine Stimme verweigerte den Dienst. Ich geriet in Panik und versuchte instinktiv, den Jeep zu starten, doch meine Handgelenke wurden von den Händen des sehr viel stärkeren Fremden unerbittlich festgehalten.
Ich spürte ein Gefühl von Enge in den Lungen. Innerhalb von Sekunden fielen meine Augen zu. Ich kämpfte, so gut ich konnte, gegen meinen Angreifer an, langte nach seinen Augen und zerkratzte seine Arme, aber es half nichts. Mit jeder Sekunde wurde ich schwächer.
Bevor ich in einen unfreiwilligen Schlummer fiel, merkte ich, dass ich aus dem Wagen gezogen wurde. Meine Absätze schrammten über den Boden. Ich versuchte, mit den Beinen auszutreten, aber sie waren viel zu schwer und gehorchten meinen Befehlen nicht mehr. Stattdessen spürte ich den Kies unter meinen Absätzen, als ich weggezerrt wurde. Ich wollte wieder schreien, doch konnte es nicht. Der Stoff bedeckte immer noch mein Gesicht. Meine Augen waren geschlossen, sodass ich nichts sehen konnte, aber ich war noch so weit bei mir, dass ich wahrnahm, wie ich hochgehoben und grob in einen Kofferraum gelegt wurde. Dann wurde alles schwarz.
Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich in einem Raum ohne Fenster. Ich wusste nicht, ob es Tag oder Nacht war. Die Luft war stickig, und es war klaustrophobisch. Mein Nacken war verkrampft und schmerzte. Ich wollte mit einer Hand über die Stelle reiben, doch das ging nicht, weil meine Handgelenke an den Armlehnen eines Stuhls festgebunden waren. Das war der Moment, in dem mich das blanke Entsetzen packte.
Mir wurde bewusst, dass ich die Stimme von Wes nicht mehr hören konnte. Ich lachte nicht mehr. Ich würde ihn nicht jeden Moment wiedersehen. Man hatte mich entführt. Was zum Teufel war passiert? Das Letzte, an das ich mich erinnerte, war von einem Polizisten herausgewunken und dann mit einem Tuch betäubt worden zu sein. Wo war ich? Ich hatte keine Ahnung. Mein Herz begann wie wild zu schlagen.
Jetzt bedauerte ich inständig, Wes nicht auf diese Fahrt mitgenommen zu haben. Mein übermäßiges Vertrauen in meine eigene Sicherheit hatte mich in die schlimmste Lage gebracht, die sich ein Mädchen vorstellen kann. Und doch fürchtete ich in dieser
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