Zeitenlos
Überstunden machte. Ich überlegte, was ich von ihm wusste, und hoffte auf eine Eingebung. Klar war, dass er auf die Berkeley Universität ging, einen schwarzen Wagen fuhr, neunzehn war und Weston Wilson hieß. Eine Idee ließ mich abrupt aufspringen. Ich setzte mich auf meinen Schreibtischstuhl, um mit der Suche zu beginnen. Ganz sicher gab es im Internet ein Studentenverzeichnis.
Auf der Homepage der Uni fand ich einen Link »Studenten-Mails«. Als ich daraufklickte, wurde ich nach Benutzername und Passwort gefragt, die ich nicht hatte. Ich seufzte und lehnte mich in meinem Stuhl zurück. Doch es musste irgendeine Möglichkeit geben, in dieses Studentenverzeichnis hineinzukommen, und deshalb suchte ich weiter.
Als ich »Studentenverzeichnis« in das Suchfeld tippte, öffnete sich eine Seite mit Suchfunktion, über die man entweder nach dem Namen des Studenten oder der Fakultät suchen konnte. Ich entschied mich für Ersteres und tippte den Anfangsbuchstaben seines Vornamens und den Nachnamen ein. Es waren einige W. Wilsons eingeschrieben, aber Weston C. Wilson III . war auffällig wie ein bunter Hund.
Allein die Tatsache, seinen Namen auf dem Bildschirm zu sehen, brachte mich zum Lächeln. Den Gedanken, dass ich ihm womöglich nachstellte, verwarf ich schnell wieder. Er hatte am Auto auf mich gewartet und meiner Mutter geschrieben. Nein, es war mir nicht peinlich.
Unter der Matrikelnummer stand »Nicht geführt«, aber seine E-Mail-Adresse auf dem Campus war angegeben. Ich klickte sie an. Es gab so vieles, was ich ihm sagen wollte, aber da ich weder langatmig noch krampfig klingen wollte, begnügte ich mich mit wenigen Sätzen:
Lieber Weston,
vielen Dank für das Angebot. Es war sehr nett von dir. Leider kann ich es nicht annehmen.
Trotzdem danke,
Sophie
Ich drückte auf »Senden« und beschloss, die Aufgaben für Staatswissenschaft fertigzumachen. Aus irgendeinem Grund ging es mir jetzt besser. Ich hatte meine Meinung zu einer Sache gesagt, die mir am Herzen lag, und fühlte mich für den Augenblick gelöst.
Am nächsten Tag sah die Sache schon wieder völlig anders aus.
Kaum war ich wach, ging ich zu meinem Computer, denn ich wollte unbedingt wissen, ob schon eine Antwort da war. Ich loggte mich ein und hatte tatsächlich eine neue Nachricht – von Kerry. Normalerweise freute ich mich immer, von ihr zu hören, aber diesmal zog ich ein Gesicht, weil keine Antwort von Weston C. Wilson III . da war. Ich redete mir ein, dass es noch nicht einmal einen Tag her war und er seine Campus-Mails vermutlich nicht so häufig las. Den ganzen Tag war ich kribbelig, checkte immer wieder meine Mails und bewegte mich nicht von meinem Computer weg.
Es wurde Samstag, und ich hatte immer noch keine Antwort. Nachmittags musste ich zum ersten Mal arbeiten, und so musste ich versuchen, die Sache aus meinem Kopf zu verbannen. Ich freute mich mehr auf die Arbeit, als ich erwartet hatte, denn sie lenkte mich ab.
Ich lernte Dawn besser kennen. Es stellte sich heraus, dass sie die gleiche Online-Schule besuchte wie ich und Tausende anderer Jugendlicher offensichtlich auch. Sie war in der elften Klasse und schon seit der Mittelstufe dabei. Meine Mutter würde begeistert sein, dass ich jemanden aus der Schule kennengelernt hatte. Bei dem Gedanken daran verdrehte ich die Augen.
Den größten Teil des Nachmittags verbrachte ich damit, Bücher entgegenzunehmen und die eingegangenen Titel einzutragen. Die Arbeit beschränkte sich darauf, die auf den Büchern angegebenen Preise in die Kasse einzugeben und dann auf »Summe« zu drücken. Dafür musste man kein Genie sein. Der Job war einfach, und ich war froh, ihn gefunden zu haben, denn der Laden war ruhig und nett.
Die Einzigen, die dort arbeiteten, waren Mr Healey, mein Chef, Dawn, ihr älterer Bruder Danny und Ms Mary. Danny und Mr Healey waren fast immer da, Dawn fünf Nachmittage in der Woche. Ms Mary und ich wechselten uns als Aushilfen ab. Es war ein ziemlich anspruchsloser Job, aber ich hatte keine Langeweile. Wann immer wir nichts zu tun hatten, stand mir ein ganzer Laden voller Bücher zur Verfügung. Das war eine willkommene Abwechslung.
In der folgenden Woche vergrub ich mich in meinen Schulaufgaben. Bis Donnerstag hatte ich immer noch keine Mail von ihm. Zum Mittagessen war ich wie immer auf dem Campus. Enttäuscht ließ ich die Schultern hängen, als ich zum Auto zurückkam und er nirgends zu sehen war. Ich war drauf und dran, Kerry anzurufen. Diesmal würde sie das
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