Zeitenlos
alles keinen Sinn machte und ich nicht weiterkam.
Am Ende des Parkplatzes fand ich eine Lücke und machte mich auf den Weg zu meiner Mutter, immer noch ein bisschen sauer auf mich selbst, weil ich nach jemandem suchte, der mich aus der Fassung brachte. Ich konnte es nicht ausstehen, wenn ich etwas nicht verstand. Deswegen lagen mir ja auch die Wissenschaften. Da gab es immer etwas zu ergründen und auf alles eine Antwort. Man musste ein Problem nur analysieren, auswerten und lösen. Darin war ich gut. Folglich störte es mich, dass ich ein Problem verursacht hatte, dessen Lösung nicht greifbar, aber wie ein Flüstern im Ohr immer präsent war. Die meisten Menschen mochten sich glücklich schätzen, so einfach davongekommen zu sein. Ich nicht.
Ich schaffte es, mich zumindest zeitweilig auf meine Mutter zu konzentrieren. Doch ich ertappte mich dabei, wie ich mich nach ihm umsah, natürlich vergeblich. Mama spürte, dass mich etwas beschäftigte, und fing an mich auszufragen. Schließlich knickte ich ein und gab zu, dass ich wissen wollte, ob der Typ, dessen Wagen ich angefahren hatte, irgendwo auf dem Campus war. Als sie fragte, ob ich Angst vor ihm hätte, musste ich lachen.
»Nein, Mama, ich habe keine Angst. Was kann er schon tun? Mich zwingen, seinen Wagen zu reparieren? Das Ergebnis wäre gruselig.«
»Nun ja, er hatte etwas Zeit zum Nachdenken und möchte jetzt vielleicht doch die Versicherungsdaten haben«, meinte sie.
»Ja, du hast vermutlich recht, aber selbst wenn, wäre das doch verständlich. Schließlich habe ich seinen Wagen angefahren.«
»Aber trotzdem hätte er sich die nötigen Informationen an Ort und Stelle geben lassen sollen, nicht später. Jetzt deswegen nach dir zu suchen wäre ziemlich merkwürdig.«
Ich hattekeinen Hunger mehr. Zwar hatte ich kaum etwas gegessen, aber ich wollte dieses Gespräch beenden. Es hatte sowieso keinen Sinn. Hier liefen 35 000 Studenten herum, und die Chance, ihn wiederzusehen, lag irgendwo zwischen ganz klein und null. Wir aßen zu Ende, und ich ging zu meinem Wagen zurück, immer noch nicht sicher, wie weit ich diese Sache vorantreiben wollte. Wenn ich seinen Namen wüsste, würde ich dann im Adressbuch nachsehen? Würde ich ihm nachstellen? Ich schüttelte den Kopf angesichts dieser Gedankengänge und rief mich schleunigst zur Ordnung.
Als ich mich dem Parkplatz näherte, hatte ich mir eingeredet, dass er nur irgendein Junge war. Zwar ein heißer Typ mit Augen, die Eis zum Schmelzen brachten, aber mehr auch nicht. Was wäre schon dabei, wenn er genau in diesem Augenblick lässig an meinem Jeep lehnte?
Ungläubig blinzelte ich mehrmals, um mich davon zu überzeugen, was ich sah. Kein Zweifel, da stand er. Meine Hände wurden feucht, und mein Herz setzte mindestens vier Schläge aus. Sich eine zufällige Begegnung auszumalen war eine Sache, ihn dann tatsächlich zu treffen, eine völlig andere.
Weil mir eine Million Dinge durch den Kopf gingen, schlenderte ich ganz langsam weiter, um Zeit zu gewinnen. Ich hatte keine andere Wahl, als direkt auf ihn zuzugehen, denn er lehnte mit verschränkten Armen lässig an der Fahrertür. Er trug dunkle Jeans und einen dicken dunkelgrauen Pullover mit V-Ausschnitt, was ich ein bisschen merkwürdig fand, denn draußen waren es über achtzehn Grad. Das Outfit passte aber perfekt zu der ganzen Situation, die irgendwie unwirklich war. Ich fragte mich gerade, ob ich mir das alles vielleicht nur einbildete, da sprach er mich an.
»Du schon wieder.«
»Bist du hier, um abzurechnen?«
»Nein«, sagte er mit dem Ansatz eines Lächelns.
»Also, was …« Ich zog die Brauen hoch und hoffte auf ein Stichwort.
»Ich habe nur einige Fragen. Wollen wir?« Er deutete auf einen nahegelegenen Weg. Ich blickte mich um, bemerkte einige Autofahrer, die auf meinen Parkplatz warteten, und hielt es für besser weiterzugehen. Ich nickte bestätigend mit dem Kopf und wartete, dass er vorging.
»Nach dir«, sagte er und lächelte leicht.
Ich ging vor ihm her zu dem Weg zwischen den Bäumen und war froh, dass er mein Gesicht nicht sehen konnte. Ich grinste breit. Als ich den Weg erreichte, hatte ich mich wieder im Griff und drehte mich um.
»Also?«
»Also«, sagte er, mehr nicht. Stattdessen sah er mich mit diesen eindringlichen Augen an, was mich völlig aus der Fassung brachte. Die Situation war so peinlich, ich musste irgendetwas sagen.
»Also, wenn du nicht deshalb hier bist, dann …«
»Wie heißt du?«, fragte er völlig
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