Zeitenlos
zum Kassenhäuschen, kaufte Karten und wollte dann wissen, ob ich Hunger oder Durst hatte. Doch ich wollte zuerst spielen und erst später etwas essen.
Wir gingen die mittlere Budengasse entlang und wurden sofort mit den schillerndsten Angeboten bombardiert. Auf beiden Seiten überboten sich die Betreiber der einzelnen Stände. »Kommt her! Versucht euer Glück! Seht mal, was ihr gewinnen könnt. Holt euren Preis ab!« Es war nicht ganz einfach, an einigen von ihnen vorbeizugehen, aber ich wusste genau, was ich wollte.
Ich peilte geradewegs das Roll-Down-Spiel an. Es gehörte zu meinen Favoriten, weil man dafür kein besonderes Talent brauchte, und außerdem mochte ich Spiele, bei denen man mit etwas Glück auch gewinnen konnte. Wir setzten uns zusammen auf einen Stuhl. Der Mann hinter der Kasse wollte zwei Dollar pro Spieler. Wes gab ihm zwei Dollar.
»Spielst du nicht?«, fragte ich.
»Nein, ich schaue dir zu.« Ich war heilfroh, dass es wirklich fast unmöglich war, mich zu blamieren. Ich musste lediglich die kleinen Holzkugeln auf die abschüssige Spielbahn fallen lassen und dann zusehen, wie sie in eine der kleinen nummerierten Vertiefungen rollten. Bei einer Endsumme über achtundzwanzig oder unter vierzehn würde ich etwas gewinnen. Ich war mir zwar sicher, dass man das Spiel strategisch angehen konnte, aber ich ließ die Kugel einfach fallen und losrollen. Bei meinem ersten Versuch kam ich auf fünfundzwanzig Punkte. Ich schob die Unterlippe etwas vor und hörte Wes lachen, als er noch einmal zwei Dollar hinlegte. Ich blickte ihn unschlüssig an. »Willst du mir tatsächlich noch einmal zusehen?«
Ohne den Augenkontakt zu unterbrechen, beugte er sich näher zu mir. »Ich könnte dir die ganze Nacht zusehen.« Ich fühlte, wie ich rot wurde, wandte mich wieder dem Spiel zu und ließ eine weitere Kugel fallen. Bei den nächsten Kugeln versuchte ich mich ganz besonders zu konzentrieren und kam auf zweiundzwanzig. Immer noch nichts gewonnen.
Man musste vermutlich nicht wirklich Talent dafür haben, aber die Sache begann allmählich peinlich zu werden. Jedes Mal, wenn ich verlor, legte er zwei Dollar nach, damit ich weitermachte. Ich wollte unbedingt ein kleines Stofftier, und Wes schien seinen Spaß zu haben, also spielte ich weiter. Ich hatte längst den Überblick verloren, wie viele Dollar Wes dem Typen gegeben hatte, als ich endlich mein erstes Stofftier gewann. Es war ein kleiner Koalabär, so groß wie meine Hand. Der Mann gab ihn mir, und ich musste lachen. Wes versuchte sich ein Grinsen zu verkneifen. »Was ist? Magst du deinen Bären nicht? Du hast so hart dafür gearbeitet.«
»Natürlich mag ich meinen Bären, aber ich hatte es eigentlich auf den da oben abgesehen. Der ist süß.« Ich deutete auf einen großen weißen Bären mit einer roten Schleife um den Hals.
Wes drehte sich zu dem Mann um und fragte: »Was muss sie tun, um diesen Bären zu bekommen?«
Der Typ sah erst mich an, dann Wes. »Sie werden noch ganz viele Dollar ausgeben müssen, wenn sie den gewinnen will.«
Ich bemerkte, wie Wes die Augenbrauen zusammenkniff, als er den Mann musterte. »Mal sehn, vielleicht habe ich ja mehr Glück«, sagte er. Er setzte sich wieder, und ich bekam ein schlechtes Gewissen, weil ich das mit dem großen Bären gesagt hatte. Ich wollte nicht, dass Wes noch mehr Geld ausgab. Außerdem spürte ich, dass er etwas verärgert war, während der Typ nur zu bereit schien, sein Geld zu nehmen.
Ich setzte mich schnell neben ihn. »Wes, das brauchst du nicht. Ich will den Bären überhaupt nicht.«
»Du sollst ihn aber bekommen«, erwiderte er, wandte sich dem Spiel zu und legte zwei weitere Dollar hin. Bei seinem allerersten Versuch kam er auf neunundzwanzig. Er sah mich an und meinte: »Heute scheint mein Glückstag zu sein.« Mit jedem Wurf kam Wes auf exakt die Summe, die er brauchte, um zu gewinnen. Ich beobachtete fasziniert, wie er bedächtig überlegte, auf welcher Seite der Spielbahn er die Kugel ansetzen würde. Manchmal links, manchmal in der Mitte und manchmal rechts. Er wusste immer genau, wo er sie fallen lassen musste.
Wenn es mir nicht so ein Vergnügen gemacht hätte, das Gesicht des Typen zu beobachten, während Wes immer wieder gewann, hätte ich mich geschämt, wie leichtfertig ich meine Kugeln vergeudet hatte. Schließlich hatte Wes alles gewonnen, was es zu gewinnen gab, und der Mann wollte ihm den Bären geben, aber Wes schüttelte den Kopf. Stattdessen deutete er auf mich und
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