Zeitenlos
komplette Hausbesichtigung gebeten zu haben. »Ich würde gern den Keller sehen. Du weißt schon, die Spiele«, fügte ich deshalb als Erklärung hinzu.
»Ach ja«, sagte er. »Stimmt. Du willst üben.« Wes drehte sich um und nahm Kurs auf die andere Haushälfte. Wir gingen unterhalb des Eingangsbereiches entlang, und ich warf nochmals einen Blick auf das fantastische Oberlicht. Über einige Stufen führte er mich nach unten zu einem Durchgang, der in einem großen Raum mit viereckigen Säulen mündete. Hier gab es eine Bar und einen Fernsehbereich, Billardtisch, Air Hockey, Tischfußball, Autorennen, Darts, Videokonsolen und die beiden Spiele von der Kirmes. Ich musste lachen.
»Hier spielst du also?« Er nickte. »Super«, meinte ich und steuerte zielstrebig das Spiel an, das mir meinen ersten großen Teddy eingebracht hatte. Beide Spiele sahen aus, als kämen sie direkt von der Kirmes und nahmen im Keller einen separaten Bereich ein. »Das war also kein Scherz. Du hast die Spiele tatsächlich. Wie alt sind sie?«, fragte ich mit einem Blick auf die authentischen Details der Klassiker.
»So um die vierzig Jahre. Ich weiß nicht ganz genau, wann sie hergestellt worden sind, aber solange gehören sie jedenfalls schon meiner Familie.«
»Wahnsinn«, sagte ich und fühlte mich wie ein Kind im Bonbonladen. »Darf ich mal?«
»Ja, sicher.« Er nahm mein Glas.
Ich setzte mich auf den kleinen runden Stuhl und ließ die erste Kugel fallen. Natürlich war es wieder eine Niete. Ich schnitt eine Grimasse. »Zeig mir, wie du das machst«, forderte ich ihn auf.
Er beugte sich langsam über mich und griff nach der Kugel. Mir wurde heiß, als sein Brustkorb nur noch Zentimeter von meinem Rücken entfernt war.
»Pass auf«, sagte er. »Du darfst die Kugel nicht einfach loslassen und dann erwarten, dass sie zufällig dorthin rollt, wo du sie haben willst. Ich bin irgendwann darauf gekommen, dass die Leute bei diesen Budenspielen verlieren, weil der Boden uneben ist. Er sieht eben aus, ist es aber nicht.« Seine Wange war meiner jetzt ganz nah. Ich konnte mich kaum auf seine Worte konzentrieren, bis er schließlich meine Hand um eine der Holzkugeln schloss.
»Siehst du, sobald du rausgefunden hast, in welche Richtung die Bahn sich neigt, wählst du deinen Weg.« Er bewegte die Kugel ein wenig, und wir ließen sie gleichzeitig los. Ich sah zu, wie diese und zwei weitere Kugeln auf neunundzwanzig Punkte kamen. Perfekt , dachte ich. So wie er im Sekundentakt immer perfekter wird . Ich drehte mich um. Wes kniete auf einem Bein, sodass wir uns in die Augen sehen konnten. Ich wollte ihn küssen, tat es aber nicht. Beim ersten Mal hatte ich die Initiative ergriffen, doch ich war mir nicht sicher, ob dies der richtige Zeitpunkt für einen zweiten Kuss war. Ich beschloss, dass er diesmal den Anfang machen musste, was er zu meiner großen Enttäuschung jedoch nicht tat.
Stattdessen durchbrach er die Stille, die unseren Blickwechsel begleitete, indem er aufstand, nach meiner Hand griff und mich hochzog. »Willst du noch etwas anderes spielen?«, fragte er. Ich versuchte zu überspielen, dass die Abfuhr mich getroffen hatte, und sah mich in dem Keller um. Wenn er unbedingt kompliziert sein wollte, war das seine Entscheidung, aber es provozierte mich dazu, ihn herauszufordern. Ich entschied mich für Air Hockey. Er schmunzelte darüber, und ich grummelte leise vor mich hin.
Wir spielten mehrere Runden, doch schon nach zwei Minuten im ersten Spiel war es gelaufen. Da stand ich nun und gab alles, kämpfte mit zusammengepressten Lippen, entschlossen, ihn zu schlagen, während er praktisch mit geschlossenen Augen spielte. Ich konnte nicht anders und musste über mich selbst lachen, und ehe ich mich versah, lachte er auch. Ob mit mir oder über mich, konnte ich nicht sagen, aber es war auch egal. Ich hatte so viel Spaß wie schon lange nicht mehr.
Nach einiger Zeit gingen wir zu der Treppe zurück, die in den Wohnbereich führte und kamen an einer Tür mit einem kleinen quadratischen Fenster vorbei. »Wo geht’s denn da hin?«, fragte ich.
»Zum Pool.«
»Pool?« Ich sah ihn fragend an.
»Ja … Pool.« Er sprach so langsam, als ob ich nicht wüsste, was ein Schwimmbecken war.
»Ich habe dich schon verstanden«, versicherte ich und hätte seinem perfekten Kopf am liebsten eine gelangt. »Ich bin nur etwas überrascht, weil du einen überdachten Pool hast.« Er fixierte mich mit seinen betörenden Augen, und ich wurde rot. »Darf ich
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