Zeitenlos
wunderschöne Fahrt. Ich konnte den Himmel sehen, und in der Ferne zwischen den Bäumen am Hang immer wieder Hügel. Ich war verdammt neugierig auf sein Haus. Als er mich für den Vormittag zu sich eingeladen hatte, war ich zuerst enttäuscht gewesen, weil ich später arbeiten musste. Aber mittlerweile war ich ganz froh, denn die Aussicht war um diese Zeit umso schöner.
Er fuhr langsamer und bog in eine schmale, gepflasterte Auffahrt ein, die an beiden Seiten von hohen Bäumen gesäumt war. Wir folgten dem Weg, der sich durch den Wald schlängelte, zuerst bergab und dann wieder den Hang hinauf.
Ich riss die Augen weit auf. »Sag nichts!«
»Ich habe doch gar nichts gesagt«, gab Wes verwirrt zurück.
»Psst, sei still!«, wiederholte ich. Mehr brachte ich beim Anblick seines Hauses nicht heraus.
Es war ein modernes Haus aus Zedernholz, das an den Hang gebaut war. Wegen der verwinkelten Ecken und Zwischengeschosse konnte ich von außen nicht erkennen, wie viele Etagen es hatte. Auf der linken Seite befand sich unter einem Stockwerk eine Garage für vier Fahrzeuge. Auf allen Hausseiten gab es jede Menge Fenster. So etwas hatte ich noch nie gesehen.
»Was ist los?«, wollte Wes wissen.
»Willst du mich auf den Arm nehmen?«, fragte ich, als er den Wagen vor dem Haus zum Stehen brachte.
»Das ist nicht dein Ernst.« Ich stieg aus und betrachtete das Haus. Es war unglaublich. Es wirkte groß, aber auch gemütlich und erinnerte mich an einen Wintersportort in Virginia, wo ich einmal gewesen war. Ich stellte mir in jedem Raum einen Kamin vor. »Und hier wohnst du ganz allein?«
»Ja.«
»Es ist wunderschön.«
»Komm, lass uns reingehen.« Er nahm meine Hand, und ich war überrascht, wie natürlich das für ihn zu sein schien. Seine Hand war kühl und entspannt, das genaue Gegenteil von meiner, die bei seiner Berührung glühte. Ich bemühte mich entschlossen, meinen Herzschlag unter Kontrolle zu behalten, damit ich keine feuchten Hände bekam. Er schien dieses Problem nicht zu haben.
Wes führte mich die Vordertreppe hinauf. Durch die gläserne Haustür konnte ich ein weitläufiges Treppenhaus erkennen, das sich nach hinten öffnete und einen grandiosen Ausblick erlaubte. Drinnen war ich beim Anblick des Eingangsbereichs erneut sprachlos. Ein großes, horizontal mit Balken unterteiltes Oberlicht erstreckte sich über die gesamte Breite des Raumes, der wohl drei Etagen hoch war. Auf jeder Seite setzten sich die Balken über große, offene Galeriebereiche im Obergeschoss fort. Wir gingen hinein, und ich konnte mich nicht entscheiden, was spektakulärer war – die Aussicht aus den Fenstern an der Rückseite oder durch das Oberlicht.
Wir gingen links durch die Küche und einige Stufen hinunter in den Wohnbereich, wo die freiliegenden Balken die Decke stützten. »Das ist der helle Wahnsinn«, sagte ich. »Was für ein Blick! Man kann einfach alles sehen.« Wes wirkte angesichts meiner Reaktion sehr zufrieden.
»Möchtest du etwas trinken?«
»Gerne«, antwortete ich und ging zum Fenster. An der Rückseite des Hauses reichte die Fernsicht wohl über dreißig Kilometer weit, man konnte die ganze Stadt sehen. Ich drehte mich um und musterte die sparsame Einrichtung. Ein modernes schwarzes Sofa und zwei Stühle mit Dekokissen, die noch nie benutzt worden zu sein schienen.
Direkt hinter dem Wohnbereich und wiederum einige Stufen tiefer, lag das Esszimmer. Ich beschloss, mich dort umzusehen, solange er weg war. In dem an drei Seiten von Glasfenstern umgebenen Raum stand ein schlichter rechteckiger Tisch mit acht Stühlen. Auch hier wirkte alles unberührt. Hinter mir an der Wand hing ein großes Leinwandgemälde. Es war ziemlich abstrakt, aber ich glaubte, zwei Arme zu erkennen, die sich einander zustreckten. Ich war von der Größe des Bildes, noch mehr aber von den Farben fasziniert. Es wirkte atemberaubend und lebendig, stimmte mich aber trotzdem irgendwie traurig.
Als ich das Klirren von Eis in Gläsern hörte, ging ich zurück ins Wohnzimmer. »Ist Cola okay?«, fragte er.
»Ja, danke.« Ich trank einen Schluck. »Ich muss dir nicht sagen, dass dieses Haus einfach nur Wahnsinn ist. Das sagt sicher jeder.« Ich nahm noch einen Schluck.
»Würdest du mir glauben, wenn ich dir sage, dass du mein erster Gast bist?«
Ich räusperte mich. »Nein.«
»Fein«, meinte er. »Dann sage ich es nicht.«
»Zeigst du mir den Rest des Hauses?« Kaum hatte ich die Frage gestellt, war es mir ein bisschen peinlich, um eine
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