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Zeitenlos

Zeitenlos

Titel: Zeitenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shelena Shorts
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mich ganz stark darauf konzentrieren, alles, was um mich herum passiert, mental zu verlangsamen, damit es nicht verschwimmt.«
    »Verschwimmt?«
    »Ja, so fühlt es sich an. Stell dir die Kopfschmerzen vor, die du von dieser Anstrengung bekommen würdest, und du kannst dir ziemlich gut vorstellen, wie ich mich lange gefühlt habe. Ich habe rund zwei Jahre gebraucht, um damit umgehen zu können. Wenn ich mich nicht mental dazu zwinge, im Jetzt zu bleiben, läuft alles um mich herum so schnell ab, dass ich nichts davon mitbekomme.«
    »Hast du deshalb so unverständliche Sachen über die Zeit und dass du mich nicht sehen kannst gemurmelt, während du bewusstlos warst?«
    »Habe ich das?«
    Ich nickte, und er schüttelte den Kopf, wie um die Gedanken an den Vorfall loszuwerden, weshalb ich erst recht darauf aufmerksam wurde.
    »Und deine Augen?«, fragte ich.
    »Was ist mit denen?«
    »Warum haben sie manchmal diesen gläsernen Film? Wie ein blasser Lichtschein auf einem See mitten in der Nacht.«
    Wes lächelte. »Du hast eine gute Beobachtungsgabe«, stellte er fest. »Nun ja, offensichtlich habe ich auch noch ein transzendentes Sehvermögen.«
    »Was bedeutet das?«
    »Dass ich hervorragend sehen kann, und zwar immer .«
    »Interessant. Auch jetzt?«, fragte ich. In meinem Zimmer war es relativ dunkel, und ich wollte wissen, wie gut er meinen Gesichtsausdruck erkennen konnte.
    »Wenn ich wollte, könnte ich dir jetzt ein Buch vorlesen.«
    »Nicht schlecht«, sagte ich nur, um seine Fähigkeit herunterzuspielen. »Und was machst du nun mit diesem Zustand?«
    »Zu Ende führen, was Dr. Thomas angefangen hat. Ich hoffe, dass doch noch etwas Gutes dabei herauskommt.«
    »Und wie?«
    »Na, irgendetwas in meinem Blut kann anscheinend Menschen heilen, und ich versuche zurzeit, Ärzten dabei zu helfen, dieses Etwas zu finden, ohne dass jemand das durchmachen muss, was ich durchgemacht habe. Wüsste jemand, wie das für mich war, würde er das niemals ernsthaft wollen. Ich versuche deshalb, etwas von meiner Besonderheit in ein Medikament einzubringen, das den Menschen nicht verändert, sondern ihn einfach nur heilt. Einige Labore, die mein Onkel finanziert hat, stehen kurz vor einem Durchbruch. Wir wissen bereits, dass Eiweißstoffe bestens gegen Bakterien wirken, und Auszüge daraus haben außerdem ihre Wirksamkeit gegen Brandwunden und andere Infektionen unter Beweis gestellt.«
    »Und warum dürfen die Leute nichts von dir wissen?«
    »Das ist eine gute Frage. Man sollte meinen, dass Menschen die besonderen Eigenschaften meines Bluts für das Gemeinwohl nutzen würden, aber leider funktioniert die Welt so nicht. Wir kennen eine ganze Reihe von Leuten, die auf der Suche nach den fehlenden Tagebuchseiten sind und meinen Onkel bedroht, bestochen, bestohlen und erpresst haben. Die Leute, die das besitzen wollen, was ich habe, sind bereit, dafür zu töten. Ich traue ihnen nicht. Ich kann niemandem trauen.«
    »Aber warum hast du mir vertraut und mir alles erzählt?«
    Er kicherte. »Nun ja, deinetwegen bin ich ins kalte Wasser gesprungen. Und der Rest ist Geschichte.«
    Ich knuffte ihn. »Ich habe dich nicht darum gebeten.«
    »Okay, ich wollte verhindern, dass du selbst reinspringst.«
    »Das versteh ich, aber deshalb hättest du mir trotzdem nicht alles erzählen müssen, sondern irgendeinen anderen Grund erfinden können.«
    »Dann hätte ich gelogen, und du weißt genau, dass ich dich nicht anlügen würde.«
    Ich spürte, wie ich rot wurde. »Warum also vertraust du mir?«
    »Weil du mich gerettet hast.«
    »Du hast gesagt, dass du nicht sterben wirst, schon vergessen? Schlafen hast du das genannt«, erinnerte ich ihn.
    Anerkennend zog er eine Augenbraue hoch. »Stimmt«, gab er zu. »Aber du hast mich auf eine andere Weise gerettet.«
    Ich zog mein Kissen näher zu ihm heran und kuschelte mich an seine Brust. Er streichelte ganz selbstverständlich mein Haar, und ich schloss die Augen, völlig mit mir und der Welt im Reinen. Es überraschte mich, dass ich so ganz gegen meine Art nicht noch tausend Fragen stellte, aber um ehrlich zu sein, hatte ich keinerlei Interesse daran. Schon bei der ersten Begegnung hatte ich erkannt, dass er etwas Besonderes war, ich hatte nur nicht gewusst, warum. Die Wahrheit übertraf meine kühnsten Fantasien, doch jetzt, da er mir alles erzählt hatte, konnte ich es sehen. Ich sah ihn krank und sterbend vor mir. Und so deutlich, als stünde ich selbst um sein Leben flehend da, sah ich auch

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