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Zeitenlos

Zeitenlos

Titel: Zeitenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shelena Shorts
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seine Mutter, wie sie um sein Leben flehte. Dass er neben mir lag, gab mir Geborgenheit, egal wie unmöglich die Situation war. Ich kuschelte mich enger an ihn.
    »Ich bin froh, dass du da bist«, murmelte ich.
    »Heißt das, dass du damit leben kannst?«
    Ich dachte einen Moment nach und ließ meine Gefühle auf mich einwirken. »Es scheint so.« Er hörte auf, mich zu streicheln, und ich erstarrte. »Was ist los?«, fragte ich.
    »Du musst nicht damit leben können. Wenn du das nicht …«
    »Nein, ich möchte es. Ich weiß nicht genau, was mit dir los ist, und warum ich nicht der Meinung bin, dass du sie nicht mehr alle hast, aber ich glaube dir und ich mag dich, das allein zählt.«
    »Bist du sicher?«
    »Ja, bin ich. Und jetzt mach weiter.« Ich legte seine Hand auffordernd auf meinen Kopf. Er lachte in sich hinein und streichelte wieder sanft über meine Haare.
    Einige Augenblicke später fiel mir etwas ein. »Kann ich dich etwas fragen?«
    »Du kannst mich alles fragen.«
    »Warum ausgerechnet ich?«
    Er dachte darüber nach, während er weiter mit meinen Haaren spielte. »Diese Frage solltest du dem Schicksal stellen«, befand er schließlich.
    »Dem Schicksal? Du meinst, das Schicksal hat uns zusammengebracht?«
    »Ich weiß es«, antwortete er.
    Es schien, als fehlte mir ein Teil eines geheimnisvollen Puzzles. Ich war nicht unbedingt jemand, der an Schicksal glaubte, aber der Gedanke, dass etwas anderes als meine eigene Dummheit den Zusammenstoß mit ihm ausgelöst haben könnte, hatte etwas. Mir gefiel die Vorstellung, dass dieser Unfall vorherbestimmt gewesen war. Sie gefiel mir so gut, dass ich sie auskostete, bis meine Augen schwer wurden und ich, ohne es zu Wollen, einschlief.
    Ich glaube nicht, dass ich auch nur einen einzigen Moment von jenem Abend vergessen werde. Zum ersten Mal stand nichts zwischen uns. Ich war in seiner Nähe nicht mehr nervös, und alle Zweifel an seinen Gefühlen für mich hatten sich in Luft aufgelöst. Was uns verband, fühlte sich so richtig und normal an, dass für Zweifel kein Platz blieb. Ich wollte mit ihm zusammen sein, da war ich mir sicher.
    Nach dieser Nacht verbrachten Wes und ich jeden Tag viel Zeit miteinander. Ich akzeptierte ihn so, wie er war, und er wollte auch mit mir zusammen sein, aus welchem Grund auch immer. Es verging kein Tag, an dem wir uns nicht sahen. Unter der Woche kam er vorbei und half mir geduldig bei meinen Hausaufgaben. Eigentlich hätte er sich langweilen müssen, aber er beteuerte, dass es ihm Spaß machte, mir beim Lernen zuzusehen.
    Gelegentlich bat ich ihn, die Aufgaben für mich zu erledigen, aber er antwortete dann immer, dass ich es bedauern würde, »meine Integrität kompromittiert zu haben«. Aus meiner Sicht sah er das ganz falsch. Ich selbst hatte keinerlei Zweifel an meiner Ehrlichkeit, doch er schien völlig zufrieden damit zu sein, mir Gesellschaft zu leisten, während ich lernte. Und weil ich merkte, dass mir das in seiner Gegenwart leichter fiel, gab es keinen Grund, mich zu beschweren. Außerdem war er ein ausgezeichneter Lehrer, und ich begann sogar Staatswissenschaften zu mögen, zumindest ein bisschen. Augenzeugenberichte von jemandem, der mehrere Präsidentschaften erlebt hatte, machten dieses Fach auf jeden Fall um einiges interessanter.
    Am schönsten war die Zeit, die wir nachts zusammen verbrachten. Er blieb fast jede Nacht bei mir, und in diesen Stunden erfuhr ich mehr über ihn. Jede neue Information machte mich noch neugieriger. Alles, was er über sich preisgab, war für sein einzigartiges Naturell und sein Überleben von zentraler Bedeutung.
    So lernte ich, dass seine Körpertemperatur zwischen 21,1 und 32,2 Grad liegen musste. Bei einem mittleren Wert fühlte er sich am wohlsten, sobald die Temperatur höher oder niedriger war, setzten sowohl körperliche als auch mentale Probleme ein, wie ich es am Landungssteg miterlebt hatte.
    Den Anblick, als er das Bewusstsein verloren hatte, wollte ich nie wieder erleben. Und weil es Winter war, achtete ich deshalb peinlich genau auf die Temperatur und dass er warm angezogen war, wenn wir nach draußen gingen. Ich war eine solche Nervensäge, dass ich mir selbst auf den Geist ging, aber Wes schien es nichts auszumachen, obwohl er sehr gut selbst auf sich aufpassen konnte.
    Während einer dieser gemeinsamen Nächte erzählte er mir auch mehr darüber, wie er das alles mental und emotional durchgestanden hatte. Er vertraute mir an, wie hart einige Jahre für ihn gewesen

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