Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
Sinne, wie wir es kannten. Trotzdem fand ich es nicht übel, höchstens ein wenig gewöhnungsbedürftig. Es gab Lammfleisch mit Minzsauce, gebackene Austern in einer Art Eierteig, glasig gedünsteten Kabeljau, gebratene Leber und Roastbeef mit einer undefinierbaren, etwas zu fettigen Beilage, von der ich später erfuhr, dass es Yorkshire Pudding war. Ich probierte von allem ein bisschen und hielt mich dann an das Roastbeef. Dazu ließ ich mir von Janie noch einen Nachschlag von den grünen Erbsen auftun. Zum Dessert gab es diverse Sorten Kuchen und mit Sahne und Eiern aufgeschlagene Cremespeisen – von allem wurde viel zu viel aufgetischt, wir konnten kaum was davon essen. Ich wollte schon etwas in der Art sagen wie: »Beim nächsten Mal würde mir ein Spiegelei mit Bratkartoffeln wirklich reichen, und Nachtisch brauche ich eigentlich auch nicht unbedingt«, verkniff es mir dann aber lieber, denn mir fiel gerade noch ein, dass das ganze Personal ja auch beköstigt werden musste, und die freuten sich über ein mehrgängiges feines Menü sicher mehr als über Spiegeleier. Janie sah aus, als hätte sie ein paar ordentliche Mahlzeiten dringend nötig, sie war viel zu dünn, und Cedric, der bestimmt auch nicht viel älter war als sie, war noch im Wachstum – Jungs in dem Alter brauchten massenhaft zu essen.
Ich blickte die beiden fröhlich an. »Es ist ja wirklich eine Menge übrig. Ich hoffe, ihr könnt euch alles noch mal heiß machen.«
Die zwei tauschten verständnislose Blicke. Mr Fitzjohn räusperte sich. »Das Gesinde isst in der Küche. Dort wird nur schlichte Kost serviert.«
»Sie meinen, das alles hier …« – ich deutete auf die silbernen Schüsseln und die immer noch fast vollen Platten – »… war nur für uns?«
»Nun, die Köchin sowie Mrs Fitzjohn und meine Wenigkeit werden die Reste zu uns nehmen. Doch für die niedere Dienerschaft wird ein anderes Essen bereitgestellt.«
Wenn das nicht der Gipfel der Diskriminierung war!
»Was kriegen denn Cedric und Janie heute?«, wollte ich wissen.
»Die beiden haben bereits gegessen.«
»Und was?«
Cedric und Janie sahen peinlich berührt zu Boden.
»Beantwortet die Frage Ihrer Ladyschaft«, forderte Mr Fitzjohn sie auf.
»Kartoffelsuppe, Mylady«, ließ sich Janie mit schüchternem Lispeln vernehmen.
»Bloß Kartoffelsuppe?«
»Wir hatten jeder noch ein Stückchen Brot dazu«, ergänzte Cedric errötend.
Sebastiano gab mir unterm Tisch einen warnenden Tritt, doch ich war nicht mehr zu bremsen.
»Ich möchte gerne, dass hier im Haus ab sofort alle dasselbe essen wie wir. Ich bin gegen Ausbeutung am Arbeitsplatz.« Kühn fügte ich hinzu: »Außerdem möchte ich, dass Janie und Cedric nicht länger als acht Stunden pro Tag arbeiten. Höchstens.«
Mr Fitzjohn nahm diese Anweisung mit unbewegter Miene und einem höflichen Nicken zur Kenntnis, während Cedric und Janie mich mit offenem Mund anstarrten und auch beim Abräumen des Tisches immer noch den Eindruck machten, als hätten sie eben etwas völlig Absurdes erlebt.
»Ich hätte gern noch eine Tasse Kaffee, wenn es nicht zu viele Umstände macht«, sagte ich zu Mr Fitzjohn. »Und dazu heiße Milch.«
»Selbstverständlich, Mylady.« Mit einer kurzen Verbeugung verließ er den Raum.
Als Janie und Cedric ihm mit den benutzten Tellern folgen wollten, hielt ich sie zurück. »Wartet. Ich habe noch etwas für euch.« Ich nahm ein paar Münzen aus dem Beutel, den Sebastiano mir gegeben hatte.
»Hier. Kauft euch was Schönes.«
»Besten Dank, Mylady!« Cedric knickte in der Hüfte ein, so tief verbeugte er sich, und Janie legte gleichzeitig eine Art Hofknicks hin. Dann verschwanden beide blitzartig, als hätten sie Sorge, dass ich es mir noch anders überlegen könnte.
»Was denn?«, verteidigte ich mich, als ich mit Sebastiano allein war und er mir einen seltsamen Blick zuwarf. »Hast du dir die beiden mal angesehen? Die sind höchstens fünfzehn oder sechzehn und müssen uns dieses ganze Edelfutter auftischen, nachdem sie selber bloß Kartoffelsuppe gekriegt haben! Und von gesetzlichem Mindestlohn haben die hier bestimmt auch noch nie was gehört.«
Sebastiano schnitt eine komisch-verzweifelte Grimasse. »Du kommst von einer Sklavenplantage und bist gegen Ausbeutung am Arbeitsplatz . Fällt dir da vielleicht was auf? Etwa ein gewisser Widerspruch?«
Ich schüttelte den Kopf. »Das hatten wir doch schon geklärt. Schließlich habe ich Mr Fitzjohn heute Morgen laut und deutlich gesagt,
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