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Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)

Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)

Titel: Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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würde. Und ich hätte dann diese bahnbrechende Entdeckung ruiniert, indem ich sie aufforderte, ganz schnell von dieser Brücke abzuhauen, bevor man sie in die Vergangenheit entführte.
    »Haben Sie einen Wagen für uns bestellt, Gaston? Wann geht es denn los?« Henry blickte sich erwartungsfroh um.
    Der Penner – oder genauer: der Alte – lehnte stumm am Brückengeländer, offenbar hielt er sich lieber unauffällig im Hintergrund, das taten die Alten meistens.
    »Ich würde sagen, jetzt sofort«, schlug Gaston vor. Er warf einen Blick auf seine Uhr, die wie alles andere an ihm angeberisch teuer aussah – anscheinend hielt er sich nicht an seine eigenen Regeln –, und grinste leicht. »Mitternacht. Wie passend!«
    Und das war auch die einzige Vorwarnung. Im Hintergrund hörte ich dumpf eine Kirchturmuhr schlagen, und gleichzeitig begann die Umgebung sich dramatisch zu verändern. Ich sah die flimmernde Linie aufsteigen, so wie ich es von den venezianischen Zeitfenstern kannte, sie wurde breiter und heller, und auch das Vibrieren setzte ein, genau wie bei den bisherigen Übergängen. Zugleich schien jedoch auch die ganze Brücke von innen heraus zu strahlen, sie verwandelte sich in einen leuchtenden Bogen, es sah aus wie pures, funkelndes Gold. Wahnsinn, dachte ich ehrfürchtig. Vielleicht wollte ich es auch laut sagen, doch meine Stimmbänder waren wie gelähmt, und die eisige Kälte füllte mich vollständig aus. Die goldene Brücke schien sich unendlich weit auszudehnen, sie reichte bis in die Ewigkeit. Hätte ich mich bewegen und auf ihr weiterlaufen können, wäre ich am anderen Ende des Universums herausgekommen, davon war ich überzeugt. Doch diese Gefühle endeten mit dem gewaltigen Knall, der gleich darauf alles Denken auslöschte und mich in die Schwärze der Zeitlosigkeit schleuderte.

Paris, 1625
    A
ls ich aufwachte, dröhnte mir der Schädel. Diese unangenehme Begleiterscheinung der Zeitreisen hatte ich bisher noch nicht richtig in den Griff bekommen. Das Kopfweh trat nicht immer auf, aber im Moment war es kaum auszuhalten. Ich konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken und versuchte, richtig zu mir zu kommen.
    Die nächste Empfindung war der Gestank. Allein das war der Beweis: Ich befand mich definitiv in der Vergangenheit. Es roch nach einer Mischung aus Kloake, Fisch, Dung, fauligen Abfällen und Leuten, die sich dringend mal waschen sollten. Das war die Kombination all dessen, was stinkenderweise zusammenkam, wenn eine Stadt mit ein paar hunderttausend Menschen ohne Kläranlagen, Kühlhäuser, geregelte Müllabfuhr und vor allem ohne so wichtige Errungenschaften wie Duschen oder Deo klarkommen musste.
    Es war dunkel, jedoch nicht ganz finster, ich sah den Widerschein von Fackellicht. Und über mir die Umrisse von Dächern vor einem sternenübersäten Himmel. Irgendwo fauchte eine Katze, und wie durch Watte hörte ich Stimmen in der Nähe.
    Ich lag auf hartem Untergrund, aber jemand hatte mich mit einem Laken oder Ähnlichem zugedeckt. Auch ohne nachzusehen, wusste ich, dass ich darunter nackt war. Das war eine weitere Konsequenz bei den Zeitreisen in die Vergangenheit – man konnte keine Gegenstände aus der Zukunft mitnehmen, außer solchen, die in der betreffenden Vergangenheit bereits existiert hatten. Und zwar nicht nur theoretisch, sondern tatsächlich.
    José und Esperanza hatten irgendwo Geheimverstecke mit historischen Kostümen aus allen möglichen Epochen, Sebastiano hatte mir schon das eine oder andere Stück für unsere Einsätze mitgebracht. Aber für diesen Zeitsprung in die Vergangenheit von Paris hatte ich darauf nicht zurückgreifen können, und weil auch Gaston mir keine Sachen zur Verfügung gestellt hatte, war ich, genau wie bei meiner allerersten Reise, ohne das kleinste Fetzchen Stoff am Körper gelandet.
    Mühsam rappelte ich mich hoch, das Laken um mich zusammenraffend, damit es nicht runterfiel. Ich stand in einer dunklen Gasse. Die Fensterläden der Häuser waren verschlossen, weit und breit war kein Lebewesen in Sicht. Nur eine Katze, die plötzlich von einer Mauer sprang und mich anfauchte, als wäre ich ein Horrorwesen aus The walking Dead .
    Die Stimmen waren jetzt deutlicher zu hören. Sie schienen von dort zu kommen, wo auch der Fackelschein zu sehen war. Eine der Stimmen gehörte Gaston. Ich spähte vorsichtig um die nächste Häuserecke und war erleichtert, als ich ihn dort stehen sah, in der Hand eine Fackel. Ein dünner, hoch aufgeschossener Mann stand bei ihm.

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