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Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)

Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)

Titel: Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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freundschaftliche Gefühle und verbesserte die Hilfsbereitschaft. Hoffentlich. »Nenn mich einfach Anna.«
    »Gern«, sagte er. Ich konnte sein Gesicht im Dunkeln nicht erkennen, aber seine Stimme klang angenehm überrascht.
    »Vielleicht kannst du es ja doch einrichten, etwas eher zu kommen.«
    »Ich werde sehen, was sich machen lässt.«
    Hinter ihm wurde es hell. Ein Fensterladen wurde aufgeklappt, und im Licht einer flackernden kleinen Nachtleuchte erschien ein verschlafenes Gesicht, das von sehr hellen, sehr zerzausten Haaren umrahmt war. Mehr als der Kopf war nicht zu sehen. Das musste Cécile sein. Sie wirkte nicht besonders gut gelaunt.
    »Es ist mitten in der Nacht«, beschwerte sie sich. »Du weißt, wie spät ich ins Bett komme und wie dringend ich meinen Schlaf brauche. Hätte es nicht Zeit bis morgen gehabt?«
    »Es tut mir leid, dich stören zu müssen, aber es ging nicht anders. Ich habe einen Gast für dich.«
    Philippe schien sich überdurchschnittlich häufig zu entschuldigen, was einen sympathischen Eindruck auf mich machte, doch Cécile bekam dadurch keine bessere Laune. Auch nicht, als Philippe ein Stück zur Seite trat, damit sie mich besser sehen konnte.
    »Oje«, sagte sie. Das konnte Verschiedenes bedeuten, angefangen von Wen hat er da wieder angeschleppt? über Ob sie wohl abhauen, wenn ich den Fensterladen einfach zumache? bis hin zu Ist das da ein Sack oder ein Kleid?
    Dann wurde der Laden wieder zugeklappt. Also Variante zwei.
    »Den Versuch war es wert«, sagte ich höflich zu Philippe, der sich nicht von der Stelle bewegte. »Fragt sich nur, wo wir jetzt eine Laterne herkriegen.«
    Zu meiner Überraschung öffnete sich jedoch gleich darauf die Haustür, und jetzt sah ich Cécile in voller Lebensgröße. Sie war fast so hochgewachsen wie Philippe, aber deutlich voluminöser gebaut, und sie trug ein Nachthemd, das mehr zeigte, als es bedeckte. Philippe schaute einen Moment zu lange hin, bevor er sich schamhaft zur Seite wandte. Diesem Zwang unterlag ich nicht, schließlich war Gucken unter Mädels erlaubt. Außerdem sollte ich bei ihr übernachten, da konnte ich schlecht über sie hinwegsehen, zumal das sowieso so gut wie unmöglich war. Ihre üppigen Formen sprengten fast das kurze Nachthemd, auf eine Weise, dass der Playboy ihr sofort ein einschlägiges Angebot gemacht hätte, wenn es ihn schon gegeben hätte. Sie war nicht etwa dick, sondern hatte einfach nur phänomenale Kurven, und das alles garantiert ohne ein Gramm Silikon. Weil ich mindestens einen halben Kopf kleiner war als sie, fielen mir ihre hervorstechendsten Merkmale zwangsläufig als Erstes ins Auge (ich schätzte sie auf achtzig D), aber auch ihr Gesicht war eindrucksvoll. Ich konnte es erst richtig erkennen, als sie sich die zerzauste Mähne aus der Stirn strich und die Lampe etwas anhob, um mich besser mustern zu können. Sie sah aus wie eine Wikingerin – eine handfeste ländliche Schönheit mit einem herzförmigen Gesicht, silberblonden Locken und blauen Augen, wahrscheinlich Mitte zwanzig.
    Stirnrunzelnd betrachtete sie mich. »Mein Gott. Ist dieses Geschöpf etwa barfuß? Und was ist das für ein Kleid?«
    »Ihr Name ist Anna«, sagte Philippe. »Sie ist ein armes Waisenmädchen vom Lande.«
    »Und bloß auf der Durchreise«, fügte ich hinzu, damit erst gar nicht der Verdacht aufkam, ich wollte mich bei ihr durchschnorren. »Morgen früh bin ich schon wieder weg.«
    Cécile schüttelte den Kopf. »Ihr Kleid ist grauenhaft. Aber sie sieht nicht verwahrlost aus und ist gut genährt.« Offenbar hatte sie einen Blick fürs Wesentliche. »Diese Mär vom armen Waisenmädchen kannst du jemand anderem auftischen, Philippe.«
    Ich entsann mich, dass Bartolomeo – das war der venezianische Bote im Jahr 1499 – nach meiner ersten Ankunft in der Vergangenheit meine damalige Zimmerwirtin mit einem ähnlichen Lügenmärchen über meine Herkunft hatte einwickeln wollen. Anscheinend waren die erfundenen Lebensläufe für solche Fälle ähnlich. Vor allem ähnlich dämlich.
    An dieser Stelle fand ich es angebracht, mich einzumischen.
    »Eigentlich leben meine Eltern noch«, sagte ich. Wobei mir sofort einfiel, dass das überhaupt nicht stimmte, denn sie waren ja alle beide noch gar nicht geboren. Bei dem Gedanken musste ich kräftig schlucken. Ich durfte gar nicht erst anfangen, genauer darüber nachzudenken. Lahm schloss ich: »Doch sie sind sehr, sehr weit weg. Deshalb habe ich gerade kein richtiges Zuhause. Ich bin aber

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