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Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)

Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)

Titel: Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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morgigen Abend auf alle Fälle noch einmal vorbeikommen würde. Anschließend machte ich mich notgedrungen wieder auf den Rückweg. Obwohl erst vor zwei Stunden die Sonne aufgegangen war, herrschte in den Gassen und auf den Plätzen bereits Hochbetrieb. Ein buntes Gemisch an Menschen bevölkerte die Stadt, die meisten waren unterwegs zum Markt. Ich sah jede Menge randvolle Gemüsekarren, mit Fässern beladene Fuhrwerke und schwer bepackte Esel. Dazwischen wimmelte es von spielenden Kindern und kläffenden Hunden.
    Auf Höhe einer Kirche kreuzte eine Schar Mönche in braunen Kutten meinen Weg. Sie hatten die Hände zum Gebet gefaltet und sangen ein frommes Lied. Ihre Hinterköpfe waren kahl geschoren und glänzten in der Morgensonne. An der nächsten Ecke tauchte eine meckernde Ziegenherde auf und versperrte die Gasse, bis ein schimpfender Hütejunge sie weitertrieb.
    Zur Stadtmauer hin erhob sich am Ende einer breiten Straße ein großes, hässliches Gebäude. Beim Anblick der wuchtigen Türme überkam mich leichtes Gruseln, denn das Dienstmädchen hatte bei der Wegbeschreibung den Namen des Bauwerks erwähnt – es handelte sich um die Bastille, den berüchtigten Hochsicherheitsknast dieser Zeit. In gut hundertfünfzig Jahren, während der Französischen Revolution, würde die wütende Pariser Bevölkerung die Bastille stürmen und alle Gefangenen befreien, doch von denen, die jetzt hier drin hockten, würde dann natürlich keiner mehr leben. Ich erschauderte und bog rasch zur Place Royale ab.
    Marie war zwischenzeitlich aufgestanden und hatte sich schon Sorgen um mich gemacht. Sie bestand darauf, dass ich mit ihr frühstückte. Wie schon am Vortag wurde viel mehr aufgetischt, als man essen konnte. Immerhin nutzte ich die Gelegenheit und lud mir alles Mögliche auf den Teller, denn nach dem Marsch an der frischen Luft hatte ich Hunger. Marie pickte sich wie beim letzten Mal nur hier und da einen Happen heraus und machte einen eher lustlosen Eindruck. Trotzdem sah sie in ihrem seidenen Morgenmantel mit den chinesischen Mustern traumhaft schön aus. In anmutiger Haltung saß sie auf einem der samtgepolsterten Stühle, während sie halbherzig von einem Kirschtörtchen abbiss.
    »Geht es dir auch manchmal so, dass du gar nicht weißt, was du essen sollst?« Mit einer ausholenden Geste deutete sie auf den überladenen Tisch. »Hier steht so viel, und doch habe ich das Gefühl, dass nichts dabei ist, was ich mir wirklich wünsche. Und der Wein … Ich mag eigentlich keinen Wein zum Frühstück.« Sie deutete auf ihr Weinglas und sah dabei ein wenig verloren aus.
    »Hm«, machte ich, die Backen voller Rührei mit Schinken. Was hätte ich auch sonst sagen sollen? Etwa: Warte einfach noch fünfzig Jahre, dann gibt es Kaffee und Kakao und Tee? Und was das Essen betraf – vielleicht hatte sie früher immer gerne Toast und Marmelade zum Frühstück gegessen. Oder Müsli mit Joghurt. Womöglich war sie sogar in ihrem früheren Leben Vegetarierin gewesen. Klar, dass sie mit all diesen kleinen würzigen Fleischpasteten und den warmen Hähnchenkeulen nichts anfangen konnte. Hoffentlich entdeckte sie noch das ideale Frühstück für sich, denn einen Weg zurück in ihr altes Leben gab es nicht.
    »Womit wollen wir uns heute den Tag vertreiben?«, fragte sie, nun schon deutlich munterer. »Wir könnten uns gegenseitig aus einem Buch vorlesen. Oder Pikett spielen. Kannst du Pikett?«
    Ich schüttelte den Kopf, weil ich immer noch den Mund voll hatte und daher nicht antworten konnte.
    »Ich bringe es dir bei«, sagte Marie fröhlich.
    Und das tat sie dann auch. Das Spiel war kompliziert, aber nach einer Weile hatte ich wenigstens die Grundzüge begriffen. Es gab zweiunddreißig Karten, mit den bekannten Farben Kreuz, Pik, Herz und Karo, von denen acht verdeckt in die Mitte gelegt und der Rest auf zwei Spieler verteilt wurde. Danach konnte jeder einen Teil seiner Karten durch Ziehen vom Stapel auswechseln, und anschließend wurden sie nach einem ziemlich undurchschaubaren Punktsystem gezählt. Dann wurde alles nacheinander ausgespielt, man musste die Karten nach Farben bedienen, und wer den besseren Trumpf hatte, machte den Stich. Hinterher wurde der Sieger durch erneutes Zählen ermittelt. Das Spiel kam mir vor wie eine Art Kreuzung aus Poker, Rommé und Skat, aber da ich keins von denen richtig konnte, stellte ich mich entsprechend dämlich an. Marie gewann am laufenden Band, ihre Laune wurde immer besser.
    Irgendwann um die

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