Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)
Blütenblätter ab und verstreute sie überall, unten bei der Haustür angefangen, die Treppe hinauf, den Gang entlang und schließlich noch drei volle Hände auf das Bett im Gemach ihres verstorbenen Gemahls, das sie zur Feier des Tages für den hohen Besuch frisch bezogen hatte.
Ich fand die Rosenblatt-Deko etwas übertrieben – wahrscheinlich hatte ich schon zu viele Filme gesehen, in denen das vorgekommen war –, doch Marie war so entzückt von ihrer romantischen und vermeintlich absolut neuen Idee, dass ich keine Einwände erhob. Bis auf einen.
»Wir müssen aber nachher alles zusammenfegen«, gab ich zu bedenken. »Denn sonst würde sich ja morgen jeder der Diener fragen, warum überall Blütenblätter herumliegen.«
»Ach, das sollen sie ruhig. Das ist ja der Sinn der Sache. Und ich habe noch mehr Beweise.« Sie zog ein Taschentuch hervor, das mit einem Monogramm bestickt war. »Sieh nur, das habe ich extra aufgehoben. Ich werde es an geeigneter Stelle deponieren, sobald die Königin das Haus wieder verlassen hat. Minette wird es beim Aufräumen des Zimmers finden und dem ganzen Gesinde zeigen. Sie ist das größte Plappermaul unter der Sonne. Auf diesem Wege wird es nicht lange dauern, bis Richelieu davon erfährt.«
Ich betrachtete das Taschentuch, das mir irgendwie bekannt vorkam. »S. F.«, las ich. »Wer ist das?«
»Es gehört deinem Musketier«, sagte Marie gelassen. »Sébastien Foscaire. Er hat es neulich bei der Soiree hier vergessen.«
Jetzt wusste ich auch, wieso mir das Tuch so bekannt vorgekommen war. Sebastiano hatte sich das Hemd damit abgetupft, nachdem ich ihn mit Rotwein überschüttet hatte. Er musste es dem Diener zusammen mit dem Hemd zum Reinigen gegeben haben, und der hatte es dann vermutlich aus Versehen in irgendeinem Wäschebottich liegen lassen.
»Aber was soll das bringen?«, wollte ich wissen. »Wird der Kardinal dann nicht einfach bloß denken, dass Sébastien sich mit dir oder mit mir getroffen hat?«
»Das könnte er tatsächlich denken. Es sind jedoch auch andere Rückschlüsse möglich.« Marie lächelte ein wenig boshaft. »Er könnte beispielsweise glauben, dass Sébastien sich mit der Königin trifft.«
»Du willst, dass der Kardinal das von ihm denkt?«, vergewisserte ich mich entgeistert. »Aber dann könnte er schrecklichen Ärger kriegen!«
»Gerade das wird ihn dazu bringen, etwas mehr Zurückhaltung walten zu lassen, statt seine neugierige Nase in anderer Leute Angelegenheiten zu stecken.« Entschuldigend blickte sie mich an. »Ich weiß, dass du einen Narren an ihm gefressen hast. Doch er ist und bleibt der Spion des Kardinals, und indem wir ihm eine neue Rolle in diesem Spiel geben, schlagen wir Richelieu nur mit seinen eigenen Waffen.«
Ich war ganz benommen von dieser unerwarteten Wendung. Es kam mir so vor, als würde alles gerade ziemlich aus dem Ruder laufen.
Marie eilte geschäftig summend in den Salon, wo sie eine Karaffe Rotwein mit zwei edlen Gläsern auf einem Silbertablett dekorierte und anschließend alles in das von Kerzen illuminierte, mit Rosenblättern berieselte Schlafgemach ihres verblichenen Gatten trug. Unfähig, klar zu denken, trottete ich hinter ihr her, eine Schale Konfekt in den Händen, die Marie ebenfalls für das Liebespaar vorbereitet hatte. Auf halbem Wege blieben wir stehen – von unten ertönte das hallende Pochen des Türklopfers. Marie zählte mit.
»Siebenmal«, wisperte sie. »Das ist sie! Rasch! Geh und lass sie ein! Und bring sie gleich herauf.«
Hastig stellte ich die Konfektschale auf dem Fußboden ab und eilte nach unten. Mein Herz schlug heftig, als ich die Haustür aufriss. Eine verschleierte Gestalt im dunklen Kapuzenumhang huschte an mir vorbei ins Vestibül. Ein Hauch von Rosenparfüm stieg mir in die Nase. Ich machte die Tür schnell wieder zu und drehte mich zu der vermummten Gestalt um.
Du liebe Zeit. Wie begrüßte man eine Königin?
»Guten Abend«, sagte ich aufs Geratewohl. Dann erinnerte ich mich an diverse Folgen aus Die Tudors und versank in einen improvisierten, aber sehr tiefen Hofknicks. »Majestät«, fügte ich vorsorglich hinzu.
Die Königin schlug Kapuze und Schleier zurück, und zum Vorschein kam ein zauberhaftes, schmales Gesicht, das von dunklen Locken umrahmt war. Ich wusste, dass Anne d’Autriche – so lautete ihr Familienname – erst vierundzwanzig war, doch sie kam mir trotzdem viel jünger vor. Und sie war wirklich umwerfend schön.
»Du musst Anna sein«, sagte sie mit
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