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Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)

Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)

Titel: Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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Moment, als nebenan die zweite Runde anfing.
    »Oh, meine Geliebte!«, stöhnte George. »Wie schön du bist! Diesmal nehme ich mir mehr Zeit, das verspreche ich dir.«
    Auch das noch! Mit heißen Ohren trat ich einen Schritt von der Wand zurück. Trotzdem waren die Geräusche unvermindert laut zu hören. Ich konnte unmöglich bis zum Schluss hierbleiben und zuhören, also entschied ich, nach unten zu gehen und mir eine Kleinigkeit zu essen aus der Küche zu holen. Leise schlich ich mich auf den Gang hinaus, wo ich kurz stehen blieb und lauschte. Auch hier waren die Geräusche zu hören, allerdings stark gedämpft.
    Plötzlich juckte es in meinem Nacken.

    »Was tust du denn da?«, fragte jemand vom Treppenaufgang her. Ich zuckte zusammen. Das war Opa Henri! Das Jucken war eine eindeutige Warnung – er durfte nicht näher kommen, sonst würde auch er die Geräusche hören, dann würde alles auffliegen und die Königin in ernste Gefahr geraten! Nicht, dass er sie absichtlich verraten würde, dafür war er ein viel zu lieber alter Mann, aber nach meinem Empfinden war er schon ein bisschen tüdelig. Es konnte sein, dass er sich ganz aus Versehen verplapperte, und das womöglich auch noch vor den falschen Leuten.
    Ich rannte zur Galerie, um ihn abzulenken. »Ach, Ihr seid wieder nach Hause gekommen! Marie sagte, Ihr würdet über Nacht bei Eurem Freund vom Militär bleiben!«
    »Ja, das ist so vorgesehen«, sagte er. Im Kerzenlicht sah sein Gesicht frisch und rosig aus, er schien in aufgeräumter Stimmung zu sein und roch, als hätte er schon einiges an Wein weggebechert. »Ich will auch gleich wieder hin, denn mein Kriegskamerad hat gerade eben noch eine vorzügliche Flasche kretischen Roten dekantiert, mit einem erstklassigen Bukett. Doch vorher muss ich noch etwas holen, das ich vergessen hatte.«
    »Wirklich? Was ist es denn? Kann ich Euch behilflich sein?«
    Er blickte auf die Treppe und den Fußboden. »Sind das Rosenblätter?«
    »Äh … ja. Marie und ich wollten … etwas ausprobieren. Ob … äh, es besser im Haus riecht, wenn man Blütenblätter verstreut.«
    Opa Henri zog schnuppernd die Nase kraus. »Ich rieche nichts.«
    »Ja, das haben wir dann auch gemerkt.«
    Er kratzte sich ratlos am Kopf. Sein weißes, zerzaustes Haar stand nach allen Seiten ab.
    »Was wollte ich noch gleich?«
    »Zu Eurem Freund zurückgehen.«
    »Aber warum bin ich dann überhaupt hier?«
    »Weil Ihr noch eine Flasche Wein holen wolltet«, sagte ich mit schlechtem Gewissen. Es war gemein von mir, sein schlappmachendes Kurzzeitgedächtnis auszunutzen, doch wenn ich die Königin nicht in Gefahr bringen wollte, blieb mir nichts anderes übrig.
    »Ach so«, sagte er. Irritiert blickte er mich an. »Der Wein ist aber unten im Keller.«
    »Genau. Ich gehe mit runter, dann können wir gemeinsam einen raussuchen.«
    Und das taten wir dann auch. Mit einer Laterne bewaffnet, stiegen wir die steilen Stufen zum Weinkeller hinab, wo ich Spinnweben zur Seite wischte und bei jedem Rascheln aus den dunklen Ecken zusammenfuhr. Ich kannte dieses Geräusch, es wurde von Mäusen verursacht. Trotzdem blieb ich todesmutig stehen und wartete, während Opa Henri leise murmelnd die Weinbestände sichtete. Schließlich zog er eine staubige, mit rotem Siegelwachs versehene Flasche heraus. »Das ist der Richtige. Ein kretischer Roter, mit erstklassigem Bukett.«
    Nachdem das geklärt war, kehrten wir in die Halle zurück, wo Opa Henri abrupt stehen blieb.
    »Jetzt weiß ich es wieder!«, sagte er. »Ich wollte den Säbel holen! Der, mit dem ich früher gekämpft habe!«
    »Den aus dem Salon?«
    Er nickte.
    »Wartet hier, ich hole ihn rasch.«
    Und schon war ich auf der Treppe nach oben. Der Säbel hing an exponierter Stelle an der Wand, direkt neben einem Gemälde, das eine Art Kampf oder Schlacht zeigte. Bisher hatte ich mir das Bild nicht genauer angesehen, denn ich fand es furchtbar grausam. Leute wurden darauf von Schwertern durchbohrt oder von Lanzen aufgespießt, manche baumelten auch vom Galgen – auf jedem freien Fleckchen wurde jemand umgebracht. Die ganze Szenerie triefte nur so von Blut. Ich hatte keine Ahnung, welches Gemetzel dort dargestellt war, aber für Opa Henri hatte das Geschehen auf dem Bild offenbar eine herausragende Bedeutung, genau wie der Säbel. Ich nahm die Waffe von der Wand – und hielt sie respektvoll ein Stück von mir weg. Sie war unerwartet schwer und sah sehr scharf aus. Ein Schauer überlief mich, denn unwillkürlich

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