Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)
Hilfskraft ebenfalls nicht die Welt, er konnte auch nicht ständig nach Frankfurt kommen.
Ich tat mir gerade sehr leid, weil ich jetzt so gern bei ihm gewesen wäre und er so weit weg war, da klingelte mein Handy. Das musste er sein! Er hatte mich nach jeder Klausur angerufen und gefragt, wie es gelaufen war. Sofort ging es mir besser. Doch die Nummer auf dem Display hatte ich noch nie gesehen, obwohl der Anruf aus Venedig kam, wie ich an der Vorwahl erkennen konnte. Hastig meldete ich mich.
»Anna Berg.«
»Anna«, kam es wie ein Echo zurück. Es klang leise und irgendwie … schwach.
»Wer ist da?«, fragte ich beunruhigt.
»José. Anna, Sebastiano braucht deine Hilfe.«
Ich konnte ihn kaum verstehen.
»Was ist los mit ihm?«, rief ich erschrocken. »Wo ist er?«
»In Paris.«
»In Paris? Wieso das denn?«
»Er hat eine Aufgabe übernommen … ist in der Zeit gestrandet … Steckt da fest …«
Mir fiel vor Schreck fast das iPhone aus der Hand. »In Paris? Sonst ist er doch immer nur in Venedig!«
»Sondereinsatz«, kam es leise zurück. Josés Stimme wurde immer schwächer.
»José? Was ist mit dir? Bist du krank? Was soll ich tun? Sag mir, was ich tun soll!«
»Ihm helfen.«
»Ja!«, schrie ich. »Das will ich ja gerne sofort machen! Ich muss nur wissen, wo er ist! Ich meine … wann ?! Und was ist mit dir passiert?«
»Bin verletzt, muss mich ausruhen. Ist jetzt … dein Job. Sechzehnhundertfünfundzwanzig.«
»O Gott! Wie soll ich denn da hinkommen?«
»Da ist jemand.« Er diktierte mir mit schwacher Stimme eine Telefonnummer und einen Namen. Ich schrieb fieberhaft alles auf meinen Arm, weil ich in der Hektik keinen Zettel fand.
»Anna … Trau keinem. Auch nicht Sebastiano.«
»Was?«, fragte ich schockiert.
Aber er hatte schon aufgelegt. Ich rief ihn sofort zurück, doch die Leitung war besetzt, und beim zweiten Mal kam eine automatische Bandansage auf Italienisch, dass der Teilnehmer vorübergehend nicht erreichbar sei. Als Nächstes rief ich die Nummer an, die er mir genannt hatte. Sie gehörte zu einem gewissen Gaston Leclerc (auf meinem Arm stand allerdings Garçon Eclair , die richtige Schreibweise seines Namens bekam ich erst später raus), aber auch da meldete sich nur eine Stimme vom Band – auf Französisch. Das war eine Sprache, von der ich dummerweise nur ein paar Wörter kannte, hauptsächlich aus der Essenskategorie, zum Beispiel Mon Chérie oder Ratatouille .
Danach verlor ich keine Zeit. Ich stopfte ein paar Sachen in meine Reisetasche und suchte mir im Internet den nächsten Flug nach Paris raus. Es war mörderisch teuer und würde meinen Kontostand ins Nirwana befördern, doch das spielte nicht die geringste Rolle. Jetzt musste ich mir nur noch eine gute Ausrede für Papa überlegen. Zu meiner Erleichterung nahm er mir die Mühe ab. Während ich noch fieberhaft nachdachte, was ich ihm erzählen sollte, klopfte er an und kam in mein Zimmer.
»Wäre es sehr schlimm, wenn du das Wochenende über alleine bleiben müsstest?«, wollte er wissen. »Ich würde nämlich gern zu Mama fahren, die langweilt sich ein bisschen. Natürlich könntest du auch mitkommen.« Dann sah er meine Reisetasche. »Ach, du willst sowieso weg? Zu Sebastiano? Da warst du doch erst letzte Woche zum Karneval.« Er runzelte die Stirn. »Hatten wir darüber geredet, dass du diese Woche wieder hinfliegst? Ich glaube, ich hab’s total vergessen.«
»Ähm, ja. Ich wollte mich mit ihm treffen. Aber ausnahmsweise nicht in Venedig, sondern in Paris. Da wohnt ein … Freund von ihm.«
»Hast du denn schon ein Flugticket?«
»Gerade gebucht und ausgedruckt.« Ich deutete gespielt fröhlich auf das Blatt Papier, das noch im Drucker lag. Papa zog es raus und warf einen Blick darauf.
»Oh«, sagte er.
»Ja, ich weiß. Es ist sehr teuer. Aber ich muss wirklich unbedingt zu Sebastiano! Die Klausuren waren so … anstrengend. Und er fehlt mir so wahnsinnig!«
»Okay«, sagte Papa langsam. Dann tat er etwas, das ganz typisch für ihn war. Er schnappte sich meinen aufgeklappten Laptop, rief sein Online-Banking auf und überwies mir das Geld für das Ticket auf mein Konto.
»Schon mal vorträglich zum Abi«, sagte er.
Ich umarmte ihn stürmisch und bedankte mich. Gleich darauf wurde es auch schon Zeit, zum Flughafen zu fahren. Papa brachte mich zum Hauptbahnhof und ließ mich davor aussteigen, und im Wegfahren winkte er mir lächelnd nach. Ich lächelte zurück, bis er nicht mehr zu sehen war, dann kamen mir
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