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Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Titel: Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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Perücke saugte sich binnen Augenblicken so mit Wasser voll, dass ich zu ertrinken drohte. Da sie an meinem eigenen Haar festgesteckt war, bekam ich sie alleine nicht vom Kopf herunter.«
    »Ist der Vogel ertrunken?«, fragte ich.
    »Nein, der konnte davonfliegen, denn jemand packte mich beim Schopf – genauer, bei der Perücke – und zog mich aus dem Wasser.«
    »Lass mich raten. Der Jemand war Sebastiano.«
    »Nein, es war ein anderer. Er saß in der roten Gondel und das Ruder führte ein einäugiger alter Mann.«
    »Ich fasse es nicht«, sagte ich. »Den gab es bei mir auch!«
    Alles Weitere war ebenfalls ähnlich verlaufen wie bei mir. Der Mann, der sie in die rote Gondel gezogen hatte, war nervös geworden und hatte dem Alten befohlen, sofort zum Ufer zu rudern, damit Clarissa aussteigen konnte.
    »Die Gondel legte an, aber bevor ich an Land gehen konnte, gab es eine Art Gewitter«, berichtete Clarissa. »Ich dachte zuerst, einer der Feuerwerkskörper sei vor mir eingeschlagen, überall war dieses silberne Blitzen und blendende Helligkeit. Dann tat es einen gewaltigen Knall und es wurde dunkel.« Resigniert beendete sie die Erzählung. »Als ich wieder zu mir kam, war es Nacht. Ich war nackt, mein schönes Kleid war weg, und alles andere auch.«
    Den Rest kannte ich schon. Seitdem hing sie hier fest, weil es mit der Rückkehr nicht geklappt hatte.
    Matilda platzte in den Schuppen und erklärte, es sei Zeit fürs Mittagessen. Vorausgesetzt, wir faulen Geschöpfe könnten uns dazu durchringen, endlich mit dem Kochen anzufangen.

    Die folgenden zwei Wochen vergingen schneller, als ich es zunächst befürchtet hatte. Es blieb kaum Zeit, quälenden Gedanken nachzuhängen, denn Matilda hielt mich und Clarissa pausenlos auf Trab.
    Wir standen immer mit dem Primläuten auf, obwohl ich meist gerne deutlich länger geschlafen hätte. Matilda war eine unermüdliche Antreiberin. Mit der Zeit wagte man kaum noch, gegen ihre herrische Art aufzumucken, denn je mehr man widersprach, desto wütender und ausdauernder beschimpfte sie einen.
    In dem Schuppen, der eigentlich eine Art Werkstatt war und Offizin genannt wurde, gab es alle Hände voll zu tun. Ich ließ mir von Clarissa die wichtigsten Arbeitsabläufe erklären und erledigte unter ihrer Aufsicht alle möglichen Hilfsarbeiten, vom Sortieren und Bündeln frischer Kräuter über das Zermahlen von Gewürzen bis hin zum Reinigen und Befüllen von Tiegeln. Nebenher lernte ich von ihr, wie man Glas- oder Tonbehältnisse fest mit Wachstuch verschloss, wie man aus getrockneten Blüten, Öl und anderen Zutaten Seife kochte und wie man aus Honig, Salbei und Thymian Hustensirup herstellte.
    Wir standen in der drückenden Wärme des Schuppens, wo wir Stunde um Stunde werkelten und doch nie richtig fertig wurden. Schon nach wenigen Tagen fragte ich mich, wie Clarissa vor meinem Eintreffen all die Arbeit geschafft hatte.
    Dabei war es keineswegs so, als hätte Matilda faul herumgesessen. Wenn sie sich nicht gerade in der Küche aufhielt, um sich mit Essen vollzustopfen, stand sie fast den ganzen Tag im Laden. Manchmal musste Clarissa den Verkauf übernehmen, dann setzte Matilda ihre Ausgeh-Haube auf und machte sich auf den Weg zu unterschiedlichen Händlern, wo sie Rohstoffe wie Öl, Rindertalg, Essig oder Mineralien bestellte. Sie selbst konnte aus Platzgründen keine größeren Mengen an Vorräten lagern. Davon abgesehen, ließen sich ihre Waren sowieso nur in begrenztem Umfang auf Vorrat herstellen, weil vieles zu schnell verdarb. Vor allem Salben und Cremes wurden in der Sommerhitze rasch ranzig.
    Clarissa wies mich auch in die Arbeiten ein, die im Haus zu erledigen waren. An die Mäuse, die in den Ecken herumhuschten, konnte ich mich unmöglich gewöhnen, aber mit der Zeit kriegte ich es wenigstens hin, nicht immer jedes Mal laut aufzukreischen, wenn mir beim Fegen mit dem Reisigbesen etwas Pelziges entgegenhopste.
    Die Wäsche wurde zum Waschen und Plätten weggebracht. Eine Witwe in der Nachbarschaft erledigte diese lästige Pflicht, ein echter Luxus, wie Clarissa mir erklärte. In den beiden ersten Jahren nach ihrer Ankunft war das noch in ihren Zuständigkeitsbereich gefallen, aber dann hatte Matilda erkannt, dass sie ihren Gewinn steigern konnte, wenn sie Clarissa in der Offizin anlernte, statt sie von früh bis spät mit Waschen und Bügeln auf Trab zu halten.
    Matilda hoffte wohl, ich würde zur Küchenfee mutieren, doch sie musste bald einsehen, dass ich am Herd die

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