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Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Titel: Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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größte Niete aller Zeiten war. Zwei Mal hatte ich versucht, Hirsebrei zu kochen. Beim ersten Mal ähnelte das Ergebnis einem bröckeligen Haufen Zement, beim zweiten Mal – da ließ ich es länger über dem Feuer – einem bröckeligen Haufen Kohle. Seither drückte ich mich vor dem Kochen, so gut ich konnte.
    Dazu kam, dass ich mich mit manchen Zutaten einfach nicht anfreunden mochte, etwa mit toten Hühnern, die erst gerupft und ausgenommen werden mussten. Oder mit Fischen, die noch Augen, Flossen und Schuppen hatten.
    Manchmal dachte ich, Matilda hätte mich gern vor die Tür gesetzt, weil ich mich in der Küche so rettungslos dämlich anstellte, doch obwohl sie ihren Ärger über mein unterentwickeltes Kochtalent oft kaum verbergen konnte, beschränkte sie sich auf das übliche Geschimpfe und gab sich mit dem zufrieden, was ich anderweitig an Arbeitsleistung einbringen konnte. Vielleicht tröstete sie der Gedanke an das Geld, das Bart ihr für meine Unterbringung gegeben hatte.
    Auch wenn ich selbst nicht kochte, blieb das Essen gewöhnungsbedürftig, und hätte mich nicht der Hunger gezwungen, es runterzuwürgen, hätte ich gern darauf verzichtet. Morgens gab es meist Hirsebrei, ab und zu auch eine Art Pfannkuchen, der aber ähnlich öde schmeckte. Mittags wurde häufig Pasta aufgetischt, von ganz ähnlicher Konsistenz wie die Frühstückspampe. An Gemüse gab es vorzugsweise Linsen oder Bohnen, die mit Fisch, Speck oder Wurst zu dicken Eintöpfen verarbeitet wurden. Wichtig schien in erster Linie zu sein, davon satt zu werden. Der Geschmack war zweitrangig.
    Auf meinen gelegentlichen Spaziergängen gönnte ich mir deshalb immer einen Extrahappen in Form von Äpfeln oder frischem Brot, das waren Mahlzeiten, denen ich noch am ehesten traute. Überall in der Stadt gab es fliegende Händler, die an Ständen oder von ihren Booten aus Essen verkauften.
    Allein bei der Vorstellung, dass Schokolade erst in ungefähr vierhundert Jahren erfunden werden würde, hätte ich heulen können vor Mitleid mit den armen Menschen des fünfzehnten Jahrhunderts.
    Allerdings war das nichts im Vergleich zu dem Elend, das auf dem Gesundheitssektor herrschte. Fast täglich kamen Kranke oder ihre Angehörigen in die Kräuterhandlung, und das, was ich binnen kürzester Zeit an Leidensgeschichten mitbekam, schockierte mich zutiefst. Die Leute standen quasi ständig mit einem Fuß im Grab. Eine Blutvergiftung, ein trockener Husten, ein schlimmer Durchfall oder einfach nur starke Bauchschmerzen – manchmal dauerte es nur ein paar Tage, bis jemand aus der Familie des Betroffenen wiederkam und unter Tränen berichtete, dass alles Beten und alle Medizin nicht geholfen hätten.
    Kaum einer von diesen Menschen hätte im einundzwanzigsten Jahrhundert sterben müssen, aber hier gab es weder Penizillin noch Blinddarmoperationen.
    Meine Beklommenheit wuchs, als ich erfuhr, wie häufig Frauen während und nach der Geburt eines Kindes starben. Zwei Mal innerhalb von nur einer Woche standen verzweifelte Hinterbliebene bei Matilda im Laden und weinten ihren Kummer heraus. Matilda benahm sich bei diesen Gelegenheiten zu meiner Überraschung ganz anders als sonst, weder verdrießlich noch abweisend, sondern durchaus mitfühlend. Einmal nahm sie sogar eine weinende Frau in den Arm, die zwei Söhne bei der letzten Pestepidemie verloren hatte und deren Tochter nun im Kindbett gestorben war.
    Clarissa erzählte mir von der Pest. »Die Seuche sucht die Stadt immer wieder heim, in manchen Jahren sehr schlimm, dann geht überall die Angst um. Die Kranken werden eingesammelt und auf die Insel der Verdammten gebracht, wo die meisten von ihnen sterben.«
    Voller Grauen erinnerte ich mich an das Massengrab auf der Pestinsel, von dem mein Vater mir erzählt hatte. Gott sei Dank konnte ich bald wieder nach Hause!
    Von all den zahllosen primitiven Einschränkungen abgesehen, verliefen die Tage bis zum nächsten Mondwechsel in gleichförmigem Einerlei, ein Auf und Ab von Arbeit und noch mehr Arbeit, nur unterbrochen durch diverse Besorgungen, etwa die täglichen Gänge zum Brunnen und die wöchentlichen Einkäufe auf dem großem Markt am Rialto.
    Zweimal stahl ich mich davon und ging zu dem Maskenladen hinter der Basilika, doch die Tür war verschlossen und auf mein Klopfen hin öffnete niemand.
    Clarissa und ich wuschen uns alle paar Tage im Innenhof die Haare und gossen uns hinterher die Seifenlauge über die nackten Körper und dann rubbelten wir uns mit

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