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Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Titel: Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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aber, dass Trevisan sich um das Amt eines Savio del Collegio bemühen will. So nennt man die höchsten und wichtigsten Berater des Dogen, von denen es nur ganz wenige gibt. Alvise sagt, das sind die Männer mit der wirklichen Macht. Der Doge selbst hat eigentlich nicht viel zu sagen, sein Amt ist eher repräsentativ. Die Savi bestimmen die wirklichen Geschicke der Republik, sie geben im Großen Rat die Richtung vor und sagen dem Dogen, was er zu tun hat.« Sie geriet richtig ins Schwärmen. »Massimo Trevisan ist nicht nur steinreich, sondern soll auch gut aussehen. Seine Feste sind sehr beliebt, halb Venedig reißt sich darum, eingeladen zu werden. Ich finde es so lieb von Alvise, dass er mich mitnimmt!«
    Aha. Allmählich bekam ich einen besseren Überblick. Es ging also um politische Machtkämpfe. Alvise wollte Trevisan ausschalten, damit ein anderer sich den tollen Regierungsposten unter den Nagel reißen konnte. Vielleicht sogar er selbst?
    »Ist Alvise auch in der Politik?«, fragte ich.
    »Er nicht, aber sein Vater. Der ist ebenfalls Zehnerrat und soweit ich weiß, möchte auch er gern Savio del Collegio werden.«
    Damit waren auch die letzten Unklarheiten ausgeräumt.
    »Ich muss jetzt los, zur Beichte, und danach in die Messe«, sagte Dorotea.
    »Und wohin gehst du wirklich?«, fragte ich.
    »Natürlich eine Maske kaufen.«
    »Ich gehe mit«, sagte ich.
    »Beichten?«, fragte Dorotea zweifelnd.
    »Nein, eine Maske kaufen.«
    »Wozu brauchst du eine Maske?«
    »Ich liebe Masken und wollte schon immer eine haben.«

    In Wahrheit reichte mir die eine, die an meinem ganzen Unglück schuld war und die jetzt in der Zukunft auf dem Grund des Canal Grande in meiner Umhängetasche verrottete. Zusammen mit meinem iPod.
    »Ich kenne da einen schönen Maskenladen«, sagte ich.
    »Ich auch«, sagte Dorotea. »Er ist ganz in der Nähe, gleich hinter der Basilika.«
    Das traf sich gut, denn so musste ich sie nicht überreden, mit mir dort hinzugehen. Im Stillen hoffte ich, dort wenigstens Bart zu treffen und eine Art Krisengespräch mit ihm führen zu können.
    Gemeinsam brachen Dorotea und ich am frühen Nachmittag auf, gefolgt von einem verträumt dreinblickenden Burschen namens Ernesto, der sonst als Torwächter und Kirchendiener in San Zaccaria fungierte. Dorotea erklärte mir, dass es sich nicht gehörte, wenn junge Frauen von edlem Geblüt allein spazieren gingen. Überall in der Stadt gebe es Beutelschneider und anderes übles Gesindel, und manchmal trieben auch Sklavenhändler ihr Unwesen, die es besonders auf hübsche hellhaarige Mädchen abgesehen hätten. »Sie verschleppen die armen Geschöpfe auf ihre schmutzigen Schiffe und verkaufen sie in die Harems osmanischer Schreckensherrscher«, berichtete Dorotea. Sie sah dabei so ernst aus, dass man es unmöglich für einen Scherz halten konnte. Inzwischen hatte ich sowieso schon jede Menge gruselige Geschichten über die Osmanen gehört, mit denen Venedig mehr oder weniger ständig im Krieg lag. Clarissa hatte behauptet, dass sie gefangenen Venezianern bei lebendigem Leib die Haut abzogen oder, fast genauso schlimm, sie kastrierten und zu Eunuchendiensten zwangen. Weil ich so wenig über diese Zeit wusste, konnte ich schlecht beurteilen, wie viel davon stimmte oder nur Legende war. Dennoch hatte ich einen gehörigen Respekt vor den Osmanen und immer wenn ich irgendwo Leute mit Turban und Pumphosen auftauchen sah, machte ich einen großen Bogen um sie.
    Als einfache Magd hatte ich mich tagsüber völlig frei in der Stadt bewegt und war kaum je belästigt worden, doch bessergestellte Damen wie Dorotea durften nur verschleiert und unter männlichem Schutz ausgehen.
    Und so spazierte ich verschleiert mit der munter vor sich hin quasselnden Dorotea durch die Gassen, während Ernesto drei Schritte hinter uns hertrottete und dabei versunken auf seine in Holzpantinen steckenden Füße starrte. Falls ein osmanischer Mädchenjäger aufgetaucht wäre, hätte Ernesto es gar nicht bemerkt. Dorotea hatte seine geistige Abwesenheit mit ein paar Münzen noch verstärkt.
    »Das kriegt er dafür, dass er nichts sieht, nichts hört und nichts sagt«, hatte sie mir erklärt.
    Als wir nur noch eine Abzweigung von dem Maskenladen entfernt waren, kamen uns drei Leute entgegen, bei deren Anblick ich in Schockstarre verfiel und keine Luft mehr bekam. Es waren keine Osmanen, aber der Schreck hätte nicht schlimmer sein können.
    Dorotea blieb stehen. »Was ist denn los, Anna?«
    Ich kämpfte

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