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Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Titel: Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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die Lauscher ausgefahren und hörte mit. Was mich zugleich daran hinderte, Sebastiano all die Fragen zu stellen, die noch offen waren.
    Doch viel reden konnte er sowieso nicht mehr. Er brachte nur noch wenige und kaum verständliche Worte heraus, denen ich entnahm, dass er Alvise beim nächsten Mal umbringen werde. Dann war er auch schon wieder eingeschlafen.
    Ich betrachtete unschlüssig den Bretterboden. Er sah sehr hart aus. Und staubig. Doch was blieb mir übrig? In irgendeinem Kalender hatte ich mal einen Spruch gelesen: Der angewinkelte Ellbogen als Kopfkissen, darin liegt Glückseligkeit. Vom wem stammte das noch gleich? Konfuzius? Auf alle Fälle von jemandem, der sich mit Entbehrung auskannte und es daher wissen musste.
    Mithilfe von Doroteas Tuch und Sebastianos Umhang bereitete ich mir ein behelfsmäßiges Lager auf den knarrenden Bohlen. Mit dem Umhang deckte ich mich zu. In der weichen Wolle hing noch ein Hauch von Sebastianos Geruch, diese undefinierbare und beunruhigende Mischung aus Mann und Abenteuer. Es half mir dabei, nicht daran zu denken, dass mir immer noch der Hals wehtat. Der Teufel sollte Alvise holen!
    Ich lauschte auf Sebastianos regelmäßige Atemzüge.
    Morgen ist auch noch ein Tag, dachte ich.
    Trotzdem dauerte es lange, bis ich endlich einschlief.

    Ich hatte einen merkwürdigen Traum, in dem ich vier Jahre alt war. Ich sah meine eigenen kleinen Hände und pummeligen Beinchen, während ich im Gras saß und Wiesenblumen ausrupfte. Meine Mutter hatte zuvor eine Handvoll der bunten Blumen gepflückt und einen Kranz daraus geflochten, den sie mir auf den Kopf gesetzt hatte.
    »Du bist eine Prinzessin und das ist deine Krone«, hatte sie lachend gemeint.
    Voller Eifer wollte ich mir mehr Prinzessinenkronen machen. Dann hätte ich einen Vorrat und es wäre egal, wenn ich eine davon verlor.
    Doch die Blumen ließen sich nicht binden. Die Stängel knickten zwischen meinen Händen und sträubten sich gegen meine ungeschickten Versuche, sie zu flechten. Die empfindlichen Blüten wurden unter meinen Fingern zu Matsch. Ich fing an zu weinen, eher aus Wut als aus Enttäuschung, aber dadurch wurden die Blumen auch nicht zu einem Kranz.
    Durch den Tränenschleier vor meinen Augen sah ich zwei Gestalten auf mich zukommen. Zuerst dachte ich, es seien meine Eltern, doch dann sah ich, dass es sich um eine alte Frau und einen alten Mann handelte. Die Frau hatte graue Haare und ein von Falten zerknittertes Gesicht und der Mann trug über dem einen Auge eine schwarze Klappe, so wie die Piraten in meiner Playmobilkiste.
    Die beiden blieben vor mir stehen. Verblüfft und ein bisschen beschämt hörte ich auf zu weinen und blickte zu ihnen hoch.
    »Ich glaube, das ist sie«, sagte der Alte.
    »Ich weiß nicht«, meinte die Frau. »Besonders mutig kommt sie mir nicht vor. Siehst du nicht, wie sie heult?«
    Das wollte ich nicht auf mir sitzen lassen. Eilig rieb ich mir die Augen mit den Händen trocken. Das erwies sich leider als Fehler, denn meine Finger waren mit Pflanzensaft verschmiert. Eine von den Blumen musste eine Art Zwiebelpflanze gewesen sein, jedenfalls brannte es in meinen Augen wie Feuer. Jetzt liefen erst recht die Tränen und ich konnte nichts mehr sehen.
    Der Mann und die Frau lachten. Eingeschüchtert und verlegen hörte ich auf, mir die Augen zu reiben. Plötzlich bekam ich Angst. Ich überlegte, wie ich es am besten anstellte, möglichst unauffällig aufzustehen und schnell zu meinen Eltern zu laufen. Sie konnten nicht weit weg sein, eben noch hatte ich Mama reden hören. »Hier ist ein guter Platz für das Picknick«, hatte sie zu Papa gesagt. Gerade war mir auch wieder eingefallen, dass es streng verboten war, mit Fremden zu sprechen. Fremd waren alle Leute, die man nicht kannte, und diese alte Frau und den alten Mann hatte ich vorher noch nie gesehen.
    Vorsichtig versuchte ich, ein bisschen von ihnen wegzurücken, indem ich auf meinem Hintern rückwärtsrutschte. Zu meinem Erstaunen machte die alte Frau einen Schritt auf mich zu und beugte sich über mich.
    »Hab keine Angst«, sagte sie.
    Damit bewirkte sie das genaue Gegenteil. »Ich darf nicht mit dir reden«, sagte ich, inzwischen wirklich ängstlich.
    »Anna?«, rief meine Mutter.
    »Mama!«, brüllte ich, so laut ich konnte. Erleichterung durchflutete mich. Die alte Frau konnte mir nichts tun. Meine Mutter würde mich holen und vor ihr beschützen.
    Die alte Frau streckte die Hand aus und berührte mich im Nacken. Ihr Finger war

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