Zeitfinsternis
Tier, auf dem er ritt, an, stieg davon herab und ging zu dem hellgrauen Apfelschimmel hin. Gilbert war groß und häßlich, und Sir Guy hatte schon oft Bemerkungen überhört, in denen die Meinung geäußert wurde, daß man das Pferd besser dazu verwenden könne, einen Wagen zu ziehen. Der Ritter aber kümmerte sich nie darum. Schließlich war Gilbert… na eben Gilbert. Das wackere Roß schien unverletzt und ruhte sich wahrscheinlich nur aus, bevor es sich weiter auf den Weg zu dem Gut der von Angels machte.
Das Pferd kümmerte sich kaum um ihn, als er die Sattelgurte anzog und die Zügel überprüfte. Es erhob sich widerwillig, als Guy daran zerrte. Der Ritter band seinen Helm seitlich an den Sattel und sah sich seinen Schild an. Wo Gilbert darüber gelegen hatte, war er verbogen, und Guy überlegte sich, ob er ihn zurücklassen sollte. Kein Ritter sollte ohne Schild unterwegs sein – oder ohne Lanze, und die hatte er schon liegenlassen. Wenn er aber nach Lothringen ritt , würde ihn das Wappen mit der blauen Schlange sicherlich verraten. Aber er konnte es vielleicht später übermalen. Er zog den Schild herab und band ihn mit der Rückseite nach vorn wieder fest. Er überlegte sich, ob er das andere Pferd mitnehmen sollte, damit die Frau darauf wieder zurückreiten konn te; aber bis er diese Überlegung abschloß, hatte sich sein vorheriges Reittier schon anders entschlossen und war davongaloppiert. Guy kletterte in den Sattel und lenkte Gilbert auf die Straße.
Er dachte über die Verwandten von Baron Munchbold nach, die die wahren Besitzer von Gilbert waren. Außer ihm wußte das niemand; niemand, der noch am Leben war. Dann war da noch sein Bruder, der seinen Brustpanzer und seinen Helm zurückhaben wollte, und sein Vater, dessen Kettenpanzer er trug. Sie würden warten müssen. Er war für den König unterwegs. Wußten sie das aber? Würden sie nicht annehmen, daß er wie alle anderen gefallen war? Sir Guy war sich ziemlich sicher, daß Attila es entweder vergessen würde, seine Familie davon zu unterrichten, womit er beschäftigt war, oder sich einfach nicht darum kümmern würde. Trotzdem machte sich Guy darüber keine Gedanken. Warum sollte er auch? Er war am Leben. Er hatte sein Pferd, sein Schwert. Was brauchte er mehr? Außerdem war er mit einem Auftrag in fremdem Land unterwegs, in dem die Leute merkwürdig, die Abenteuer vor ihm zahllos und die Gefahren, die auf ihn warteten, unbekannt waren. Noch einmal überlegte er sich, ob er umkehren sollte.
Viele Anhaltspunkte hatte er nicht. Eine junge Frau, deren Namen er nicht kannte. Mit langem rotem Haar und… Dingern. Nein, das war wirklich nicht viel.
Auch Napoleon XV. freute sich, als er von dem einzigen Überlebenden auf Lothringerseite hörte, der Zauberer seines Vaters sei getötet worden. Seiner Meinung nach war der Einfluß dieses Mannes zu groß gewesen, größer als der von allen anderen Höflingen und Beratern zusammen. Der neue König war froh, daß er ihn los war; ihm wurde damit die Mühe erspart, Anders umbringen lassen zu müssen.
Sein erstes Problem war die Frage, was er mit dem Hauptmann anfangen sollte, der dem Gemetzel entkommen war. Es schien offensichtlich, daß Marcel Perier, so hieß der Mann, weggelaufen war – denn wenn er das nicht getan hätte, dann wäre er tot. Und doch war er es gewesen, der die Nachricht vom Tod seines Vaters überbracht hatte. Sollte er ihn wie einen Helden oder wie einen Verräter behandeln?
„Ist das alles?“
„Ja, Euer Majestät“, sagte der Mann mit der verstaubten rot-weißen Uniform, der mit gebeugtem Haupt vor dem Podest kniete, auf dem Napoleons geschmückter Thron stand. Napoleon saß darauf.
Der König musterte die Menschen in dem Raum, ohne
Weitere Kostenlose Bücher