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Zeitfinsternis

Zeitfinsternis

Titel: Zeitfinsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David S. Garnett
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Ma­je­stät“, be­gann er mit ei­ner Stim­me, die laut ge­nug war, um die Au­gen des Kö­nigs von der End­lo­sig­keit weg­zu­rei­ßen, das ste­te Stim­men­ge­wirr zu be­ru­hi­gen und zwei Mit­glie­der der kö­nig­li­chen Wa­che da­zu zu brin­gen, mit fes­ten Schrit­ten auf ihn zu­zu­ge­hen, den Schild in der einen Hand, Hel­le­bar­de in der an­de­ren, die Ge­sich­ter be­deckt mit ro­ten Dra­chen­mas­ken.
    Der Mann warf den dunklen Um­hang zu­rück, der ihn ein­hüll­te, zog ein Ge­rät her­aus und ließ die Hel­le­bar­den­köp­fe von den Stan­gen fal­len.
    Je­der er­kann­te das Ge­rät als einen Zau­ber­stab; je­der er­kann­te den Mann als Zau­be­rer.
    Na­po­le­on glotz­te um sich, als sä­he er die Leu­te, die da um ihn ver­sam­melt wa­ren, zum ers­ten Mal. „Räumt den Raum!“ be­fahl er, und sein Be­fehl wur­de aus­ge­führt. Nur Kö­nig und Zau­be­rer blie­ben zu­rück.
    „Was wollt Ihr von mir?“ frag­te der Kö­nig.
    „Ich will nichts“, sag­te der Zau­be­rer. „Ihr habt kei­nen Hof­zau­be­rer, und ich bin hier, um Euch mei­ne Diens­te an­zu­bie­ten.“
    „Ich brau­che Euch nicht.“
    „Doch.“
    „Wo­für?“
    „Für Be­ra­tung. Für Schutz. Für vie­ler­lei Din­ge.“
    „Der, der sich An­ders nann­te, hat mei­nen Va­ter nicht ge­schützt. Er konn­te sich nicht ein­mal selbst schüt­zen.“
    „Aber ich bin nicht An­ders“, sag­te der Zau­be­rer.
    „Nein, das se­he ich. An­ders war grö­ßer. An­ders ist tot. Wie heißt Ihr?“
    „La­wrence, Si­re.“
    „La­wrence“, wie­der­hol­te Na­po­le­on, der sich frag­te, warum sie im­mer so merk­wür­di­ge Na­men hat­ten. Er fuhr mit der Zun­ge über sei­ne Lip­pen. „Und wenn ich sa­ge, daß ich Euch nicht brau­chen kann?“
    La­wrence lä­chel­te dünn. „Ihr habt kei­ne Wahl. Ich bin hier.“
    Ja, dach­te der jun­ge Herr­scher Loth­rin­gens, das se­he ich.
    Spä­ter am Tag ver­such­te er, sei­ne Au­to­ri­tät durch­zu­set­zen und sag­te zu sei­nem Zau­be­rer: „Der Tod mei­nes Va­ters muß ge­rächt wer­den. Ich wer­de ei­ne neue Ar­mee aus­he­ben und sie ge­gen At­ti­la und sei­ne schänd­li­chen bar­ba­ri­schen Hor­den füh­ren.“
    „Wenn Ihr es wünscht.“
    Dar­auf fiel Na­po­le­on nichts als Ant­wort ein. Er war froh dar­über, daß sein Va­ter tot war, weil er selbst sonst nicht Kö­nig wä­re. Er woll­te kei­ne Ra­che.
    „Ich wer­de mich dar­um küm­mern“, sag­te La­wrence.
    La­wrence ging hin­aus, und der Kö­nig run­zel­te die Stirn. Bald aber wan­der­ten sei­ne Ge­dan­ken dem Pro­blem zu, wer heu­te abend in sein Schlaf­zim­mer be­foh­len wer­den soll­te, falls die Frau nicht zu­rück­kam. Viel­leicht wür­de es der Zau­be­rer so­gar schaf­fen her­aus­zu­fin­den, wo sie war; das muß­te er ihn fra­gen.
     
     
    Zeit­wei­lig von Staats­ge­schäf­ten und der Last sei­nes Am­tes be­freit, lag At­ti­la XXI. al­lein im Bett. Sei­ne Au­gen wa­ren zwar of­fen, hat­ten aber kein Ziel. Er dach­te an nichts Be­stimm­tes und war­te­te dar­auf, ein­zu­schla­fen. Die hell fla­ckern­den Holz­klöt­ze im Ka­min er­füll­ten den Raum mit ei­nem sanf­ten ro­ten Glanz, der bis zum Schat­ten des kö­nig­li­chen Betts reich­te.
    Er hör­te et­was und blin­zel­te. Da war es wie­der. Auf dem Fuß­bo­den. Der Kö­nig hob den Kopf und sah in die Dun­kel­heit hin­über.
    Dann sprang das Ding vom Fuß­bo­den hoch und lan­de­te auf ihm. Der Kö­nig wuß­te so­fort, was es war. Er er­kann­te es von der Be­schrei­bung, die der Zau­be­rer ge­ge­ben hat­te. Klein, schwarz, lan­ger Schwanz. Es war ein Teu­fel. Ei­ne je­ner Krea­tu­ren, die Fell ge­tö­tet hat­ten, viel­leicht so­gar die glei­che.
    Der Teu­fel saß auf der Brust des Kö­nigs und starr­te ihn an. Sei­ne Au­gen spie­gel­ten das Rot des Feu­ers wi­der. At­ti­la starr­te zu­rück und wag­te es nicht ein­mal, mit den Au­gen zu blin­zeln. Der Dä­mon kratz­te sich an ei­nem pel­zi­gen Ohr. Er sah sich in dem Zim­mer um. Sein Kopf be­weg­te sich da­bei von ei­ner Sei­te zur an­de­ren, von oben nach un­ten.
    Ein zwei­ter Dä­mon schlen­der­te lang­sam vor ihm am Ka­min vor­bei; ein drit­ter kam aus der Dun­kel­heit und klet­ter­te an dem

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