Zeitfinsternis
Majestät“, begann er mit einer Stimme, die laut genug war, um die Augen des Königs von der Endlosigkeit wegzureißen, das stete Stimmengewirr zu beruhigen und zwei Mitglieder der königlichen Wache dazu zu bringen, mit festen Schritten auf ihn zuzugehen, den Schild in der einen Hand, Hellebarde in der anderen, die Gesichter bedeckt mit roten Drachenmasken.
Der Mann warf den dunklen Umhang zurück, der ihn einhüllte, zog ein Gerät heraus und ließ die Hellebardenköpfe von den Stangen fallen.
Jeder erkannte das Gerät als einen Zauberstab; jeder erkannte den Mann als Zauberer.
Napoleon glotzte um sich, als sähe er die Leute, die da um ihn versammelt waren, zum ersten Mal. „Räumt den Raum!“ befahl er, und sein Befehl wurde ausgeführt. Nur König und Zauberer blieben zurück.
„Was wollt Ihr von mir?“ fragte der König.
„Ich will nichts“, sagte der Zauberer. „Ihr habt keinen Hofzauberer, und ich bin hier, um Euch meine Dienste anzubieten.“
„Ich brauche Euch nicht.“
„Doch.“
„Wofür?“
„Für Beratung. Für Schutz. Für vielerlei Dinge.“
„Der, der sich Anders nannte, hat meinen Vater nicht geschützt. Er konnte sich nicht einmal selbst schützen.“
„Aber ich bin nicht Anders“, sagte der Zauberer.
„Nein, das sehe ich. Anders war größer. Anders ist tot. Wie heißt Ihr?“
„Lawrence, Sire.“
„Lawrence“, wiederholte Napoleon, der sich fragte, warum sie immer so merkwürdige Namen hatten. Er fuhr mit der Zunge über seine Lippen. „Und wenn ich sage, daß ich Euch nicht brauchen kann?“
Lawrence lächelte dünn. „Ihr habt keine Wahl. Ich bin hier.“
Ja, dachte der junge Herrscher Lothringens, das sehe ich.
Später am Tag versuchte er, seine Autorität durchzusetzen und sagte zu seinem Zauberer: „Der Tod meines Vaters muß gerächt werden. Ich werde eine neue Armee ausheben und sie gegen Attila und seine schändlichen barbarischen Horden führen.“
„Wenn Ihr es wünscht.“
Darauf fiel Napoleon nichts als Antwort ein. Er war froh darüber, daß sein Vater tot war, weil er selbst sonst nicht König wäre. Er wollte keine Rache.
„Ich werde mich darum kümmern“, sagte Lawrence.
Lawrence ging hinaus, und der König runzelte die Stirn. Bald aber wanderten seine Gedanken dem Problem zu, wer heute abend in sein Schlafzimmer befohlen werden sollte, falls die Frau nicht zurückkam. Vielleicht würde es der Zauberer sogar schaffen herauszufinden, wo sie war; das mußte er ihn fragen.
Zeitweilig von Staatsgeschäften und der Last seines Amtes befreit, lag Attila XXI. allein im Bett. Seine Augen waren zwar offen, hatten aber kein Ziel. Er dachte an nichts Bestimmtes und wartete darauf, einzuschlafen. Die hell flackernden Holzklötze im Kamin erfüllten den Raum mit einem sanften roten Glanz, der bis zum Schatten des königlichen Betts reichte.
Er hörte etwas und blinzelte. Da war es wieder. Auf dem Fußboden. Der König hob den Kopf und sah in die Dunkelheit hinüber.
Dann sprang das Ding vom Fußboden hoch und landete auf ihm. Der König wußte sofort, was es war. Er erkannte es von der Beschreibung, die der Zauberer gegeben hatte. Klein, schwarz, langer Schwanz. Es war ein Teufel. Eine jener Kreaturen, die Fell getötet hatten, vielleicht sogar die gleiche.
Der Teufel saß auf der Brust des Königs und starrte ihn an. Seine Augen spiegelten das Rot des Feuers wider. Attila starrte zurück und wagte es nicht einmal, mit den Augen zu blinzeln. Der Dämon kratzte sich an einem pelzigen Ohr. Er sah sich in dem Zimmer um. Sein Kopf bewegte sich dabei von einer Seite zur anderen, von oben nach unten.
Ein zweiter Dämon schlenderte langsam vor ihm am Kamin vorbei; ein dritter kam aus der Dunkelheit und kletterte an dem
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