Zeitfinsternis
bisher noch nie dort gewesen und mußte deshalb meinen Weg dorthin genau studieren, damit ich zwischen den Transporterhaltestellen so wenig wie möglich zu laufen hatte. Es waren insgesamt dreißig Kilometer; ich brauchte fast eine Stunde, bis ich da war, und ich brauchte nicht oft zu Fuß gehen, weil der größte Teil der direkten Verbindungen noch intakt war.
Der Mann hieß Raymond. Raymond Was oder Was Raymond, das habe ich nie erfahren. Ich hatte schon vorher mit ihm gesprochen, aber nur über einen Bildschirm. Man traf kaum jemanden persönlich: nur die, mit denen man zusammen arbeitete… oder lebte. Es war einfacher so. Niemand machte Besuche, und niemand hatte das Bedürfnis dazu. Die Tatsache, daß Raymond mich persönlich zu sich gebeten hatte, deutete darauf hin, daß es sich um eine ungewöhnliche Situation handelte. Ich war daher mehr als leicht beunruhigt und hatte Angst davor, ihn von Angesicht zu Angesicht zu treffen.
Die Entfernungen unter der Erde waren enorm, und die Leute dort lebten und arbeiteten weit voneinander entfernt. Ich nehme an, es war ursprünglich vorgesehen, daß die Beobachter direkt unter der Gemeinde wohnen sollten, die sie beobachteten. Das war inzwischen nicht mehr so, aber man hätte alles besser zentralisieren können. Wir hätten uns dann öfter getroffen, hätten das Gefühl, daß wir nicht unsere Zeit verschwendeten, und außerdem hätte man die Deserteure besser unter Kontrolle gebracht. Die Entwicklung hatte schon eingesetzt, bevor Erster an die Macht gekommen war, aber er hatte sie vorangetrieben. Ich war sicher, daß er dafür seine Gründe hatte, und halb und halb glaubte ich an das, was wir angeblich machten. Außerdem rechnete ich mir aus, daß es weitaus klüger war, sich auf die Seite des Ersten statt gegen ihn zu stellen – besonders wenn ich daran dachte, wie es ihm immer wieder gelang, jeden, der sich gegen ihn stellte, unschädlich zu machen. Wie das letzte Mal. Ich hatte damals beinahe alles verdorben und ihnen damit die Möglichkeit gegeben zu entkommen, und das war auch der Grund, warum ich unten beschäftigt war. Trotzdem hatte Erster keinen überraschten Eindruck gemacht, als ich ihm meinen Irrtum meldete, und er hatte schon ein paar weitere Männer losgeschickt, um die Saboteure unschädlich zu machen. Es war ihnen allerdings schon gelungen, einige hundert Schirme für immer zu zerstören, eine Zahl, der jedoch kaum Bedeutung zukam, wenn man sie mit der Zahl von Schirmen verglich, die unbeobachtet blieben, weil zu wenig Leute da waren, um die Arbeit zu übernehmen. Alles wurde nun aufgezeichnet und von Computern beobachtet, aber angeblich war nur ein wirklicher Beobachter in der Lage, frühzeitig genug zu erkennen, daß etwas nicht in Ordnung war.
Das war Geschichte. Was jetzt zu untersuchen war, das war die Affäre mit dem Mädchen aus dem Dorf. Wie kam es, daß Raymond nicht wußte, wer sie war? Das fragte ich ihn auch, sobald ich dort ankam.
„Ich habe noch weitere Nachprüfungen angestellt“, sagte er mir, „und mir die Bänder angesehen, die wir von dem Dorf haben.“ Er drückte auf ein paar Knöpfe. „Jetzt aufpassen.“
Ein großer Wandschirm. Ich paßte auf. Das Bild zeigte in brillanter Farbe eine Frau von ungefähr zwanzig Jahren, die aus der Haustür eines Hauses herauskam und über die Straße ging. Sie verließ den Blickwinkel der Kamera.
„Spulen Sie das zurück“, sagte ich, „und stoppen Sie ihr Bild.“
Ich wußte schon, daß sie der Vorwand für die Schlacht gewesen war, der Grund dafür war nicht schwer zu erkennen. Wie die meisten anderen Bauersfrauen trug sie einen Rock aus schwerem, ausgefranstem Stoff und eine schlecht geschnittene Bluse von
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