Zeitfinsternis
Ich habe sie hier bei mir. Was soll ich mit ihr anfangen?“
„Bringen Sie sie zu mir. Ist sie freiwillig mitgekommen?“
„Ja.“
„Dann folgen Sie diesen Anweisungen…“
Ich folgte ihnen, fuhr mit dem Transportsystem nach Süden, wechselte Tunnels, lief ein Stück, dann eine weitere Fahrt im Wagen nach Süden, weiter zu Fuß. An der Kreuzung, die mir genannt worden war, gab ich dem Mädchen ihre weitere Marschrichtung bekannt.
„Ich weiß“, sagte sie und machte sich mit der Brille in der Hand auf den Weg in die Dunkelheit.
Nach einiger Zeit ging ich zurück. Nach Hause. Zu meiner Frau.
Alberner, dummer, idiotischer, vertrottelter, zurückgebliebener kleiner Dummkopf, dachte der Reiter namens Raul, als er sich Gedanken über die Verdienste seines jungen Herrschers und seiner militärischen Bemühungen machte. Das war keine Art, sich an einen Angriff gegen die Saarländer zu machen, selbst wenn man davon ausging, daß der Kriegszug notwendig war – was aber nicht der Fall war.
Es war sinnlos, Rache als Selbstzweck zu betreiben, und völlig unsinnig wurde es, wenn man mit einer dürftigen Streitmacht vorrückte, die nicht einmal eine richtige Armee war. Zusammengewürfelt, disziplinlos, voller Angst und von der Tatsache demoralisiert, daß der Feind erst vor einer Woche zweitausend von ihren Kameraden vernichtet hatte. Das einzig Gute dabei war, daß nur so wenige Ritter dabei waren. Auch Raul selbst fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Er dachte daran, daß irgend etwas Marcel verängstigt hatte, ihn zu dem Saarländer in der Kneipe und in seinen Tod gejagt hatte. Er wünschte, er wüßte, was das gewesen war.
Eines wußte er aber: Brieftauben hatten Berichte davon gebracht, daß flämische Truppen in großer Stärke in Lothringen eingefallen waren.
Nur wenige andere wußten von der Invasion, aber Napoleon gehörte sicherlich zu ihnen. Vielleicht war das der Grund, warum er in die Gegenrichtung marschierte. Dafür machte der Hauptmann ihm keine Vorwürfe; freiwillig würde er nie das Risiko auf sich nehmen, gegen ein Land zu ziehen, dessen Zauberer Drachen zustande brachten wie jenen, der den Saarländer gerettet hatte, als ihn nur noch Sekunden von seiner Gefangennahme trennten.
Napoleon XV. rannte davon, aber es sah so aus, als würde er sie dabei alle umbringen.
Der Wandschirm war angeschaltet, ohne Ton wie immer, als Sonya hörte, wie die Außentür ein paar Sekunden lang aufging und sich dann leise wieder schloß. Sie saß ganz still da, ballte ihre Fäuste und biß die Zähne aufeinander. Die innere Tür glitt auf. Sie schloß ihre Augen.
In dieser letzten Sekunde war ihr Gehirn ein Vulkan, der Bedauern und Hoffnung, Wünsche und Entschuldigungen ausspie. Sie wußte aber, daß sie selbst dann, wenn sie all das hätte aussprechen können, damit auch nicht das geringste ändern würde.
Jemand kam zu ihrem Stuhl und ging darum herum…
Sie wünschte nun, daß sie von Anfang an nie in die Sache hineingezogen worden wäre; sie dachte daran, daß es ihr damals als die einzige mögliche Lösung erschienen war. Nun wurde ihr klar, daß sie sich nur aufgelehnt hatte, weil sie bedroht gewesen war, und nicht wegen der Lage an der Oberfläche; sie wußte, daß niemand ihr vertraute: weder der Erste, der gehört haben mußte, was so oft in den Transportern gesagt worden war, noch die anderen, weil sie so dumm gewesen war, ihre Bedenken auszusprechen. Sie fragte sich, wer den Mörder wohl geschickt hatte.
… setzte sich auf die Lehne und sagte: „Gutes Programm?“
„David!“
„Hast du vielleicht einen von deinen Liebhabern erwartet?“ sagte ihr Mann und sah auf den Bildschirm.
„Nein, nein“, sagte sie hastig. Dann hob
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