Zeitfinsternis
vielleicht verspürte ich auch ein gewisses Schuldgefühl wegen der Dinge, die vorgefallen waren – und auch wegen meines Verhaltens. Ich hatte ihn benutzt, und er hatte dafür leiden müssen. Es war nicht mehr als gerecht, daß er behandelt wurde.
Er wurde doch behandelt, oder? Natürlich würde er das, das brauchte ich nicht erst herauszufinden. Wenn es ihm wieder gutging, dann würden sie sein Gedächtnis manipulieren und ihn laufenlassen.
Natürlich würden sie das. Warum auch nicht?
Mir fielen ohne die geringste Anstrengung ein paar gute Gründe dafür ein.
„Sie haben Glück, daß Sie noch am Leben sind“, sagten sie immer wieder, und in gewisser Beziehung war das richtig. Er hatte Glück gehabt, daß seine Entführer so bald verfolgt worden waren; er hatte Glück gehabt, daß er nicht getötet worden war, als er vor ihnen geflohen war. Aber immerhin hatte er die anderen zusammengerufen, so daß sie schon ganz kurz nach seiner Gefangennahme zur Stelle sein konnten. Er hatte erwartet, daß der Wächter irgendeinen Trick versuchen würde. Er, nur er, hatte sein Pferd zur Flucht angespornt – aber seine sogenannten Freunde hatten auf ihn geschossen und ihn beinahe getötet. Wenn das allerdings nicht geschehen wäre, hätte er ein schlimmeres Schicksal als den Tod ertragen müssen: Man hätte ihn unter die Erde verschleppt, verhört, gefoltert, bestraft, verstümmelt. Nicht daß er völlig unverletzt entkommen war, aber die Verletzungen waren weniger schlimm als das, was mit ihm hätte geschehen können. Der Erste hatte etwas vor. Nach zehn Jahren Grabesruhe erwachte er endlich zum Leben. Sie mußten handeln, bevor er noch weitere Schritte unternehmen konnte. Und das mußte jetzt sein, sonst würden sie alle sterben müssen, weil sie zu lange gezögert hatten. „Wir müssen den Plan jetzt ausführen“, sagte Duval immer wieder, und alle anderen nickten zustimmend.
„Das haben Sie gut gemacht“, sagte der Erste.
„Vielen Dank“, sagte ich und dachte, daß zwar bisher alles gutgegangen war, fragte mich aber, wie es enden würde. Er hatte mich sicherlich nicht nur deshalb angerufen, weil er mir seine Anerkennung ausdrücken wollte.
„Und deshalb habe ich noch einen Auftrag für Sie. Sie müssen nach Afrika.“
„Afrika?“
„Nehmen Sie den Ritter von der Oberfläche mit, der hilft Ihnen vielleicht.“
An diesem Satz klammerte ich mich fest, da er leichter zu verstehen war als der vorhergehende. Er wußte über von Angel Bescheid. Natürlich. Er schien aber nichts gegen ihn zu haben.
„Warum Afrika?“ sagte ich und versuchte, auch darin den Sinn zu entdecken. „Was ist denn in Afrika?“
„Das sollen Sie ja herausfinden. Nehmen Sie sich, was Sie brauchen. Bleiben Sie in Verbindung.“
Das war alles, und er wollte gerade die Verbindung abbrechen. „Warten Sie!“ sagte ich.
„Was gibt es noch?“
„Äh… hat das etwas mit diesen Dingern, diesen Androiden, zu tun, die erschienen sind – Menschen, Tiere?“
„Ja. Historisch, geographisch, ethnisch, was Sie wollen – sie kommen alle vom Schwarzen Kontinent. Es ist nur logisch, daß man es da zuerst versucht.“
„Und ich soll herausfinden, ob sie von dort stammen?“
„Ja. Ich bin sicher, daß Ihre Frau Sie auf den neuesten Informationsstand darüber bringen wird, was passiert ist, während Sie weg waren.“
Er verschwand. Mit seiner letzten Bemerkung wollte er wohl demonstrieren, daß er alles voll im Griff hatte – alles und jeden.
Afrika… draußen… von Angel mitnehmen… Sonya fragen.
Eine Schaltung in meinem Kopf machte Klick, und mir wurde klar, daß dies alles mit dem Gegenstand ihrer Angst zu tun hatte. Ich ging zurück ins Schlafzimmer und stellte mich ein paar Sekunden
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