ZEITLOS - Band 2 (German Edition)
»Nach deinem letzten Beinahe-Crash und fehlender Datensicherung habe ich dazugelernt und unsere Daten sehr sorgfältig handschriftlich notiert und alle Digitaldaten fein säuberlich täglich ausgedruckt und abgeheftet! Schlau was?« Markus war sprachlos. »Du meinst, wir haben nichts eingebüßt?«
»Genau, Herr Professor. Wir müssen aus unseren Fehlern lernen, und das habe ich gemacht. Übrigens, als Frohnert die Siliziumeigenschaften ansprach, erinnerte mich das irgendwie an unseren besagten Crash. Meinst du, dass es da einen Zusammenhang geben könnte?«
Markus fühlte, wie ihm das Blut heiß ins Gesicht schoss. »Nein, glaub ich nicht«, log er. Welchen Zusammenhang sollte es da geben?« Neles Augen verengten sich für einen Sekundenbruchteil, dann durchbrach ein aufgesetztes Lächeln ihr gut geschnittenes Gesicht und ließ ihre weißen Zähne aufblitzen.
Markus war sich in diesem Moment sicher: Sie hatte etwas bemerkt.
23.10.2012; Dienstag; 07:10 Uhr/MEZ, Pullach, BND, Chefbüro
Bernauer sah übernächtigt aus. Die Fahrt von Berlin zurück nach Pullach war alles andere als komfortabel verlaufen. Der betagte Mannschaftstransportwagen, mit dem er unterwegs gewesen war, hatte fünfzehn Stunden gebraucht. Man musste aber froh sein, überhaupt noch über einige Transportmittel zu verfügen, denn nur die Uralt-Technik, ohne Chips und Prozessoren, funktionierte noch.
Dadurch war es auch gelungen, manche landwirtschaftlichen Arbeiten wieder auszuführen, teils mit alten Traktoren, teils mit Unterstützung durch Armeefahrzeuge. Ein grotesker Anblick bot sich ihm, als er während der Fahrt sah, wie manche Pflüge von gepanzerten Militärfahrzeugen gezogen wurden.
Schwerter zu Pflugscharen! Dieses alte Teilzitat aus der Bibel, das später von den friedensbewegten Gruppierungen als Parole übernommen worden war, ging ihm dabei durch den Sinn. Sein ihm zugewiesener Fahrer bemerkte dazu nur: Dett hätt ik och nie jedacht, dat icke sowatt noch mal zu Jesichte krieje… Er steuerte das Gefährt auf abenteuerliche Art und Weise kreuz und quer durch die mit liegen gebliebenen Fahrzeugen verstopften Berliner Straßen.
Auf der Autobahn verlief die Fahrt dann streckenweise etwas zügiger. Trotzdem erinnerten Bernauer die Bilder, die er sah, an den Film The day after. Die abertausenden, bewegungslosen Fahrzeuge und die von der Bevölkerung geplünderten LKW machten es beinahe unmöglich, von Verkehrswegen zu sprechen.
Eine derartige Situation hatten sie in keinem Worstcase-Szenario je durchgespielt. Das Bundeskanzleramt in Berlin funktionierte nur noch rudimentär. Die Regierenden konnten wenig tun; ihnen waren buchstäblich die Hände gebunden. Ohne brauchbare Kommunikations- und Mobilitätssysteme war an geordnetes Regieren nicht zu denken. Auch die Währungssysteme waren nicht mehr vorhanden. Während seines zehntägigen Aufenthaltes in der Regierungshauptstadt hatte er vorwiegend ratlose Leute angetroffen.
Vor allem jene, die in den Zeiten vor dem Ereignis immer den Eindruck erweckt hatten, alles zu beherrschen und im Griff zu haben, gaben jetzt ein Bild des Jammers ab. Polizei und Militär befanden sich in Auflösung, denn die Beamten, Soldaten und Zivilangestellten waren ohne Befehle, ohne Bezahlung, ohne Perspektive.
Sie wurden zuhause bei ihren Familien dringender gebraucht, um in ihren Heimatgemeinden und Vierteln mitzuhelfen, die notwendigsten Lebensabläufe wieder herzustellen , und auch Arbeiten, die von den Komitees beschlossen wurden, auszuführen.
Wer sich diesen Dingen entzog, lief Gefahr, die überlebensnotwendige, gemeinschaftliche Solidarität zu verlieren. In Berlin hatten sie vor allem drei Fragen diskutiert:
Wer war der Gegner?
Wie stellte sich die Lage augenblicklich dar?
Welche Handlungsoptionen gab es?
Nach den äußerst lückenhaften Informationen, die bisher aus aller Welt gesammelt werden konnten, betraf der Systemzusammenbruch augenscheinlich die ganze Welt. Aus der abgestürzten, bemannten Internationalen Weltraumstation ISS hatte man zwei Blackboxen retten, aber nicht auswerten können. Eine analoge Sprachaufzeichnung der Astronauten wies allerdings darauf hin, dass das Licht auf dem gesamten Planeten Erde schlagartig erloschen war.
Demnach schien es keinen offiziellen Gewinner zu geben, der als potenzieller Aggressor hätte gelten können. Blieb die Möglichkeit eines Terroranschlages oder aber eines extraterrestrischen Angriffs. Zu letzterem passte
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