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ZEITLOS - Band 3 (German Edition)

ZEITLOS - Band 3 (German Edition)

Titel: ZEITLOS - Band 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Finnings
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groß wie er selbst. Er stand etwas verdreht, als ließe er einen Hula-Hoop-Reifen um seine Hüften kreisen. Die Arme auf Brusthöhe zu einem Kreis geschlossen, wuchs eine Pinie durch seinen Armkreis in die Höhe.
       Der Bildtext erläuterte, dass der Junge dabei auf seltsame Weise tanze, deshalb die verdrehte Körperhaltung. »Eurythmische Bewegungen seien das, basierend auf Rudolf Steiners landwirtschaftlichem Kurs von 1924« , wurde eine Fachfrau in Sachen Anthroposophie zitiert. Niemand wusste, woher der Junge über dieses mehr als einhundert Jahre alte Wissen verfügte.
       Auf Bild 3 war der Baum bereits auf eine Höhe von gut vier Metern gewachsen. Der unerhörte Vorgang vollzog sich binnen weniger Minuten.
       Bild 4 schließlich zeigte Rico neben dem Baum auf dem Rücken liegend und schlafend. Er war einfach umgekippt und in eine seiner vielen Kurzschlafphasen gefallen. Nachdem er eine Viertelstunde später wieder erwachte, konnte er sich zunächst nicht an das von ihm Verursachte erinnern. Erst geraume Zeit später fiel es ihm wieder vage ein. Der Reporter berichtete, dass das Kind dann aber nicht in der Lage war, den mysteriösen Vorgang fortzuführen. Das gelang erst einen Tag später, da brachte Rico die Pinie auf eine Höhe von sieben Metern.
       Bild 3 erinnerte fatal an die Szene von Myrjas Geburtstag, letzten September, als Lara mit ihr gemeinsam die Kastanie grokte. »Dort steht, dass er sieben Jahre alt ist. Genauso alt wie Lara. Ich finde heraus, wann er Geburtstag hat.«
       »Tu das! Aber wir wissen beide, dass er am selben Tag wie Lara geboren wurde, stimmt's?«
       »Ich will Klarheit haben, Markus, das lässt mir einfach keine Ruhe.« Nachdem Markus mit dem Rad zum Bahnhof aufgebrochen war, um weiter mit der Bahn zur Uni Kiel zu fahren, studierte Birte den Bericht noch einmal gründlich. Der Ort, an dem Rico lebte, lag unweit der österreichischen Grenze.
       Beim Betrachten der Bilder fielen Birte weitere Gemeinsamkeiten mit Lara auf: Die roten Haare ... die grünen Augen, zudem wirkte der Junge für sein Alter ungewöhnlich ernst, irgendwie ... wissend. Ein treffenderer Ausdruck fiel ihr nicht ein: wissend!
        Sie sah auf die Uhr. Es wurde Zeit. Sie musste sich auf den Weg zur Kindertagesstätte machen, die Arbeit rief. Heute Abend war wieder Chorprobe. Dort würde sie Kerstin treffen, sie musste unbedingt mit ihr über diesen Rico Cardone reden.
     
    Nach der Probe unter Hennings Leitung wurden wieder Tische und Stühle gerückt. Man kam zum geselligen Teil des Abends. Wie von Zauberhand geführt, standen Gläser, Getränke und Knabberkram auf den Tischen.
       Die helle Beleuchtung des Übungsraums wurde nicht wie sonst üblich gedämpft, denn der Zeitungsartikel über Rico Cardone machte die Runde. Weil es zu lange dauern würde, bis alle 28 Mitglieder des Chores ihn gelesen hätten, las Kerstin ihn laut vor.
       Danach ergab sich eine lebhafte Diskussion darüber. Automatisch dachten viele an das damalige Milchreisexperiment zurück, das ihnen allen die Kraft ihrer gesungenen Gospellieder so anschaulich vor Augen geführt hatte. 
       Die, die später in den Chor eingetreten waren, ließen sich davon berichten, und plötzlich entstand in ihren Reihen eine erneute, überschwängliche Begeisterung dafür, ein solches Experiment noch einmal zu unternehmen.
       Kerstin zeigte sich davon nicht gerade angetan und wollte von dem Vorhaben ablenken, indem sie darauf hinwies, dass ihnen bis zum Sommerkonzert, kurz vor Beginn der Großen Ferien, nur noch drei Proben blieben. Bis dahin müsse das Repertoire sitzen.
       Hilfe suchend blickte sie zu Henning, in der Hoffnung, dass der ihr den Rücken stärkte. Doch der Kantor blieb die Ruhe selbst. »Dazu hätte ich auch große Lust, mal sehen, ob mir etwas zur nächsten Probe einfällt. Gib mir doch den Zeitungsbericht solange mit, ja?« Kerstin schob ihm das Papier unwillig zu.
       Henning bemerkte ihre ablehnende Haltung anscheinend nicht. »Vielleicht sollten wir uns alle bis zur nächsten Probe ein wenig mit dem Begriff Eurythmie vertraut machen. Ich war ja schon immer der Meinung, dass unsere Choreographie verbesserungswürdig ist.«, prustete er plötzlich überfröhlich los und unterdrückte seinen spontanen Heiterkeitsausbruch dadurch, dass er sich die Faust vor den Mund presste. »Henning, was willst du uns damit sagen?« Birte war aufgestanden, stemmte provokativ die Hände in die Hüften und zog die Stirn

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