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Zeitlose Zeit

Zeitlose Zeit

Titel: Zeitlose Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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abgedruckt war. Er nahm fast die ganze Seite ein; sonst gab es nur noch Hinweise und Bemerkungen zum Preisausschreiben, Neuigkeiten über frühere Gewinner und die Rangliste; jeder, der noch teilnahm, war aufgeführt, in der kleinsten Drucktype, die man hatte finden können. Sein eigener Name war natürlich großgedruckt. Ganz für sich in einem eigenen Kasten. Er sah ihn dort jeden Tag. Unter seinem Namen hatten die anderen nur ein Übergangsdasein, nicht ganz an der Schwelle des Bewußtseins.
Die Zeitung lieferte für die Aufgabe jedes Tages eine Reihe von Hinweisen, und er las sie stets zuerst, bevor er sich an die Lösung des Problems machte. Das Problem bestand natürlich darin, aus den 1208 Quadraten das richtige herauszufinden. Die Hinweise stellten keine Hilfe dar, aber er nahm an, daß sie ganz am Rande Daten enthielten, und prägte sie sich aus Gewohnheit ein, in der Hoffnung, ihre Botschaft würde ihn unterschwellig erreichen – konkret war das nie der Fall.
›Eine Schwalbe schluckt mehr als eine große Meile.‹
Irgendein dunkler Assoziationsprozeß, vielleicht ... er ließ den rätselhaften Satz in sich eindringen und tiefer sinken. Um Reflexe auszulösen oder sonst irgend etwas. Schlucken hing zusammen mit Essen. Und Schwalbe mit Fliegen. War das Fliegen nicht ein Symbol für Sex? Und Schwalben kehrten zurück nach Capistrano, das in Kalifornien lag. Und ›groß‹ ließ an Wale denken ... der große, weiße Wal. Ah, Assoziationen. Über das Wasser fliegen, vielleicht nach Kalifornien. Dann dachte er an die Arche und die Taube. Olivenzweig. Griechenland. Kochen ... viele Griechen betrieben Restaurants. Wieder Essen! Lag nahe ... und Tauben waren ein Gericht für Feinschmecker.
›Die Glocke klang hi-hi.‹
Das blieb ihm in der Kehle stecken. Gewiß Unsinn. Aber es ließ an Homosexualität denken. ›Hi-hi‹, das weibische Lachen des Homos. Und die John Donne-Predigt mit der Zeile ›Wem die Stunde schlägt‹. Und ein Buch von Hemingway. Kleine Silberglocke. Mission! Die Mission, wo die Schwalben in Capistrano nisteten. Es paßte.
Während er die Hinweise überdachte, hörte er vor dem Haus Schritte. Er legte die Zeitung weg und ging hastig ins Wohnzimmer, um nachzusehen.
Dem Haus näherte sich ein hochgewachsener, schlanker, älterer Mann im ausgebeulten Tweedanzug; er rauchte eine Zigarre. Unter dem Arm trug er einen Aktenhefter. Ragle erkannte ihn. Der Mann vertrat die ›Gazette‹; er war schon mehrmals erschienen, manchmal, um Ragle seinen Scheck zu bringen – der sonst mit der Post geschickt wurde –, manchmal, um Mißverständnisse über Einsendungen aufzuklären. Ragle war bedrückt; was wollte Lowery?
Ohne Hast trat Lowery auf die Veranda, hob die Hand und läutete.
Glocke, dachte Ragle, Pfarrer. Vielleicht sollten ihm die Hinweise verraten, daß die Zeitung ihm Lowery schicken wollte.
»Hallo, Mr. Lowery«, sagte er, als er die Tür öffnete.
»Hallo, Mr. Gumm.« Lowery strahlte einfallsreich; seine Haltung verriet keine Ernsthaftigkeit, nichts, was darauf hinwies, daß schlechte Nachrichten überbracht werden sollten oder irgend etwas schiefgegangen war.
»Wozu der Besuch?« fragte Ragle, die guten Manieren opfernd.
Lowery kaute an seiner Zigarre, sah ihn an und sagte: »Ich habe zwei Schecks für sie ... das Blatt meinte, ich könnte sie gleich persönlich überbringen, weil man wußte, daß ich heute hier vorbeikomme.« Er ging im Wohnzimmer herum. »Und ich habe ein paar Fragen an Sie. Nur für alle Fälle. Was Ihre Lösungen für die gestrige Aufgabe angeht.«
»Ich habe sechs eingereicht«, sagte er.
»Ja, wir haben alle sechs bekommen.« Lowery zwinkerte ihm zu. »Aber Sie haben vergessen, die Wertreihenfolge anzugeben.« Er klappte den Hefter auf und legte die sechs Teilnahmescheine auf den Tisch; sie waren schon fotokopiert und verkleinert. Lowery gab Ragle einen Bleistift und sagte: »Ich weiß, das ist nur ein Versehen von Ihnen ... aber sie müssen numeriert sein.«
»Verdammt«, sagte er. Wie konnte er es so eilig gehabt haben? Er numerierte sie hastig. »Da«, sagte er und gab sie zurück. Was für ein dummes Versehen. Das hätte ihn glatt den ganzen Wettbewerb kosten können.
Lowery setzte sich, griff nach der Lösung, die mit ›1‹ bezeichnet war, und studierte sie erstaunlich lange.
»Ist sie richtig?« fragte Ragle, obwohl er wußte, daß Lowery das nicht wissen konnte; die Lösungen mußten zur Rätselzentrale in New York oder Chikago geschickt werden, wo das alles

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