Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeitlose Zeit

Zeitlose Zeit

Titel: Zeitlose Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
überhaupt nicht auf den Gedanken gekommen, daß irgend jemand das tat, daß jemand sie las und einen konkreten Sinn darin entdeckte. Etwa so, daß er den ersten Buchstaben jedes dritten Wortes nahm, 10 dazuaddierte und die Zahl eines bestimmten Quadrats erhielt. Er lachte.
»Warum lachen Sie?« sagte Lowery ernsthaft. »Das ist eine ernste Sache. Viel Geld steht auf dem Spiel.«
»Ich habe eben an Bill Black gedacht.«
»Wer ist das?«
»Ein Nachbar. Er möchte, daß ich ihm beibringe, wie ich es mache.«
»Nun, wenn es auf ästhetischer Grundlage geschieht ...«
»Dann kann ich das nicht«, ergänzte Ragle. »Er hat Pech. Deshalb habe ich gelacht. Er wird enttäuscht sein; er wollte sich ein paar Dollar verdienen.«
Mit einem Anflug moralischer Empörung sagte Lowery: »Freut es Sie, wenn Sie wissen, daß Ihr Talent nicht lehrbar ist? Daß es sich nicht um eine Technik im üblichen Sinn handelt ... sondern eher um ein ...« Er suchte nach einem Wort. »Das weiß der Himmel. Offenkundig spielt der Zufall keine Rolle.«
»Ich bin froh, das jemanden sagen zu hören.«
»Kann sich jemand guten Glaubens einbilden, daß Sie Tag für Tag richtig raten könnten? Das ist lächerlich. Die Chancen dagegen entziehen sich der Berechnung. Oder beinahe. Ja, wir haben sie berechnet. Aneinandergereihte Bohnen, die bis Beteigeuze reichen.«
»Was ist Beteigeuze?«
»Ein weit entfernter Stern. Ich meine das nur bildlich. Jedenfalls wissen wir, daß Raten nichts damit zu tun hat ... außer vielleicht im allerletzten Stadium. Wenn es sich um die Wahl zwischen zwei oder drei Quadraten handelt.«
»Dann kann ich eine Münze werfen«, bestätigte Ragle.
»Aber wenn es sich um zwei oder drei Quadrate aus über tausend handelt, spielt es keine Rolle«, sagte Lowery nachdenklich, rieb sich das Kinn und wackelte mit seiner Zigarre. »Da kann man nur noch raten.«
Ragle gab ihm recht.
    Junie Black kauerte in der Garage vor der Waschmaschine und stopfte Wäsche hinein. Der Beton unter ihren nackten Füßen war kalt; sie fröstelte, richtete sich auf, schüttete Waschpulver in das Fach, klappte die kleine Glastür zu und schaltete die Maschine ein. Die Wäsche hinter dem Glas begann sich zu drehen. Sie stellte das Waschmittel weg, schaute auf die Armbanduhr und verließ die Garage.
»Oh«, sagte sie erschrocken. Ragle stand in der Einfahrt.
»Ich dachte, ich schaue mal vorbei«, sagte er. »Meine Schwester bügelt. Man riecht die leicht versengte Stärke im ganzen Haus. Wie Entenfedern und Schallplatten, in einer alten Tonne gemeinsam geröstet.«
Sie sah, daß er sie aus dem Augenwinkel anstarrte. Seine strohfarbenen, buschigen Brauen zogen sich zusammen, und seine kräftigen Schultern schoben sich hoch, als er die Arme wechselseitig umfaßte. Im Sonnenschein des späten Nachmittags wirkte seine Haut tief gebräunt, und sie fragte sich, wie er das machte. Sie wurde nie so braun, so sehr sie sich auch mühte.
»Was haben Sie da an?« fragte er.
»›Schlank und rank‹«, sagte sie.
»Eine lange Hose. Ich habe mich neulich gefragt: Was ist der psychologische Grund dafür, daß ich Frauen in Hosen bewundere? Und dann habe ich mir gesagt: Weshalb, zum Teufel, denn nicht?«
»Danke«, sagte sie. »Wenn es so gemeint war.«
»Sie sehen sehr gut aus«, sagte er. »Vor allem mit nackten Füßen. Wie in einem der Filme, wo die Heldin über die Sanddünen läuft, die Arme zum Himmel hochgereckt.«
»Was macht das Preisausschreiben heute?« fragte Junie.
Er zuckte die Achseln. Offenkundig wollte er sich davon erholen.
»Ich wollte einen Spaziergang machen«, sagte er. Und wieder sah er sie von der Seite an. Es war ein Kompliment für sie, aber sie fragte sich dann stets, ob irgendwo ein Knopf offenstand; sie konnte kaum dem Drang widerstehen, heimlich an sich hinunterzublicken. Aber abgesehen von Füßen und Taille war sie züchtig bekleidet.
»Taille frei«, sagte sie.
»Ja, das sehe ich.«
»Gefällt’s?« Bei ihr war das Humor.
Ragle sagte beinahe brüsk: »Ich wollte fragen, ob Sie schwimmen gehen möchten. Ein schöner Tag, nicht zu kalt.«
»Ich habe so viel Hausarbeit«, sagte sie. Aber der Gedanke gefiel ihr; im Park, am Nordrand der Stadt, wo die unbebauten Hügel begannen, gab es einen Spielplatz mit Schwimmbecken. Natürlich nützten ihn hauptsächlich Kinder, aber auch Erwachsene kamen und ziemlich oft Cliquen von Teenagern. Sie fühlte sich dort, wo Teenager waren, immer wohl; sie hatte die Schule – die Oberschule – erst einige Jahre

Weitere Kostenlose Bücher