Zeitoun (German Edition)
die Frau.
Kathy verlangte, ihren Vorgesetzten zu sprechen.
Sie wurde verbunden, und diesmal kam ein Mann an den Apparat. Kathy erklärte, sie habe soeben erfahren, dass ihr Mann verhaftet und jetzt ein Gerichtstermin angesetzt worden war. Sie wollte nur wissen, wo die Anhörungen stattfanden.
»Oh, das können wir Ihnen nicht sagen«, erklärte der Mann.
»Was? Wieso können Sie mir das nicht sagen?«
»Weil diese Informationen nur einem bestimmten Personenkreis zugänglich gemacht werden.«
»Welchem Personenkreis? Ich bin seine Frau!«
»Tut mir leid, das ist vertraulich.«
»Von wegen vertraulich! Es ist öffentlich!«, schrie Kathy. »Darum geht’s doch. Es ist eine öffentliche Verhandlung.« Sie verlangte, mit jemandem verbunden zu werden, der besser informiert war. Der Mann seufzte, und sie landete erst mal in der Warteschleife.
Endlich meldete sich eine dritte Person, eine Frau.
Kathy riss sich zusammen und hoffte, dass die anderen beiden Beamten sie einfach nicht richtig verstanden hatten. Sie sagte: »Ich möchte wissen, wo das Gericht ist, in dem Verhandlungen und Kautionsanhörungen stattfinden.«
Die Frauenstimme war ruhig und fest: »Das ist eine vertrauliche Information.«
Kathy brach zusammen. Sie schluchzte und schrie. Das Wissen, dass ihr Mann so nah war und diese inkompetenten Bürokraten sie von ihm fernhielten, brachte das Fass zum Überlaufen. Sie weinte vor Frust und Zorn. Sie fühlte sich, als müsste sie ohnmächtig mit ansehen, wie ein Baby ertrank.
Als sie sich wieder beruhigt hatte, rief sie CNN an.
Sie erreichte einen Produzenten und erzählte ihre Geschichte: die Inhaftierung ihres Mannes, der Anruf vom Heimatschutz, die Verweigerung von Auskünften, die Gerichte, die nicht einmal existierten. Der Produzent sagte, er würde der Sache nachgehen, und notierte Kathys Nummer.
Raleigh rief zurück. Er entschuldigte sich. Jetzt wusste er, wo die Anhörung stattfinden würde, nämlich in Hunt. Er sagte Kathy, sie solle möglichst viele Leute anrufen und sie bitten, am nächsten Morgen um neun Uhr am Gefängnis zu sein.
»Ich will versuchen, heute mit Zeitoun zu sprechen«, sagte er.
Kathy betete, dass es ihm gelingen würde.
Zeitoun wurde wieder für ein Treffen aus seiner Zelle geholt. Man legte ihm Handschellen und Fußfesseln an und führte ihn erneut zu dem weißen Van. Er wurde zum Eingang des Gefängniskomplexes gefahren und in einen anderen kleinen Raum mit Betonziegelwänden geführt, wo Raleigh ihn erwartete, der erste Vertreter der Außenwelt, den er seit seiner Festnahme sah.
Er lächelte, und sie gaben einander froh die Hand.
»Ich will hier raus«, sagte Zeitoun.
»Sie müssen zahlen, um rauszukommen«, sagte Raleigh. Er seufzte schwer. »Die Sache mit der Kaution ist nicht einfach.«
Zeitoun konnte entweder 75 000 Dollar auftreiben und bezahlen, die ihm, falls er seinen Prozess letztlich gewann, vollständig zurückerstattet würden, oder er konnte dreizehn Prozent der Kautionssumme an das Gericht und drei Prozent an den Kautionsbürgen zahlen – insgesamt etwa 12 000 Dollar. Diesen Betrag würde er allerdings verlieren, unabhängig davon, welchen Ausgang sein Verfahren nahm.
»Sind 75 000 Dollar nicht ziemlich viel für einen Bagatelldiebstahl?«, fragte Zeitoun.
Raleigh meinte, ja, die Summe wäre ungefähr hundertmal so hoch, wie sie eigentlich sein sollte. Zeitoun konnte die 12 000 Dollar auftreiben, aber es kam ihm absurd vor, so viel Geld aus dem Fenster zu werfen. Im Grunde würde er den Staat dafür bezahlen, dass er ihn einen Monat lang eingesperrt hatte.
»Können Sie erreichen, dass die Summe verringert wird?«, fragte Zeitoun.
»Dafür müsste ich kämpfen«, sagte Raleigh.
»Na, dann kämpfen Sie«, sagte Zeitoun.
»Und wenn es nicht klappt?«, fragte Raleigh.
»Dann überprüfen Sie, ob ich eine Immobilie als Sicherheit für die Kaution einsetzen kann«, sagte Zeitoun.
»Sie wollen die Kaution nicht zahlen?«, fragte Raleigh.
»Nein«, sagte Zeitoun.
Wenn er die Kaution zahlte und sofort freikam, was sollte er dann machen? Er konnte nicht arbeiten. Noch gab es in New Orleans nichts zu tun. Und jetzt wusste er, dass Kathy und seine Kinder wussten, dass er lebte. Er war optimistisch, bald freigelassen zu werden. Er würde also 12 000 Dollar dafür bezahlen, ein paar Tage früher freizukommen, und diese Zeit würde er dann damit verbringen, in Yukos und Ahmaads Wohnzimmer auf und ab zu tigern. Gut, er würde seine
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