Zeitoun (German Edition)
vielleicht noch etwas zu retten.«
Er hörte Kathy zu, sah dann aber wieder Adnan an. »Was machen Sie hier?«
Kathy antwortete rasch. »Wir haben einen Handwerksbetrieb«, sagte sie. Sie reichte dem Officer ihre Visitenkarte.
Der Beamte ging damit zum Streifenwagen. Dort stand er zehn Minuten mit seinem Kollegen, ehe er wieder zu Adnans Fenster kam.
»In Ordnung«, sagte der Officer und ließ sie weiterfahren.
Sie beschlossen, direkt zum Büro zu fahren, weil sie befürchteten, nicht mehr so glimpflich davonzukommen, sollten sie ein zweites Mal angehalten werden.
Als sie das Gebäude in der Dublin Street erreichten, konnte Kathy die Trümmer der abgebrannten Häuser sehen. Es schien ihr wie ein Wunder, dass das Feuer nur wenige Meter von ihrem Haus entfernt haltgemacht hatte. Von außen wirkte das Büro beschädigt, aber es blieb abzuwarten, was sie innen vorfinden würden. Kathy ging zur Tür. Ihr Schlüssel ließ sich nicht umdrehen. Das Schloss war völlig verrostet.
Adnan entdeckte etwas auf der anderen Straßenseite. Er trabte hinüber und kam mit einer alten, ramponierten Leiter zurück.
»Ich klettere hoch«, sagte er. »Warte hier.«
Er lehnte die Leiter gegen das Gebäude und stieg hinauf. Die Sprossen waren verbogen und teilweise zerbrochen, aber er war vorsichtig, und als er das Fenster im ersten Stock erreichte, kletterte er rasch ins Haus.
Kathy hörte Poltern und Schaben, dann wurde es still. Kurz darauf ertönte eine Stimme auf der anderen Seite der Tür.
»Geh beiseite«, sagte Adnan. »Ich trete die Tür ein.«
Er trat viermal dagegen, dann gab die Tür nach und kippte nach außen.
»Pass auf, wenn du die Treppe hochgehst«, sagte er.
Drinnen war alles verwüstet. Es sah aus, als hätte das Haus jahrzehntelang leer gestanden. Die Decke war halb zerstört, mit schartigen Löchern übersät. Überall hingen lose Leitungen, lagen Papiere herum. Grauer Matsch bedeckte den Boden. Der Geruch war stark. Schimmel und Regen und Abwasser.
Kathy und Adnan stiegen vorsichtig die Treppe zum Büro hinauf. Es war ein Bild der Verwüstung. Der Teppichboden war klatschnass. Kathy konnte riechen, dass sich irgendwelche Tiere eingenistet hatten, und als sie durch das Büro gingen, huschte und wuselte es um sie herum. Sie öffnete eine Schranktür, und zig Kakerlaken fielen auf ihre Hände. Sie schrie auf. Adnan beruhigte sie.
»Lass uns schnell die Papiere suchen, dann verschwinden wir wieder«, sagte er.
Aber nichts war da, wo es ihrer Erinnerung nach sein sollte. Die Aktenschränke standen nicht mehr an ihren Plätzen. Die Ablagekörbe waren auf dem Boden verteilt. Sie durchsuchte Schränke und Schubladen, fegte Ungeziefer von den wenigen unbeschädigten Ordnern. Einige Ordner waren so nass und schlammgetränkt, dass sie unbrauchbar waren. Sie stapelte die unleserlichen Unterlagen und hoffte, den Beleg dafür, dass ihnen das Gebäude gehörte, unter den wenigen noch brauchbaren zu finden. Es kam ihr so absurd vor, dass sie ihr eigenes Gebäude, allgemein als das Hauptbüro ihres renommierten Betriebes bekannt, nach einem simplen, verdreckten Stück Papier durchsuchte, damit ein Behelfsgericht im Gegenzug ihren Mann freiließ. Und was, wenn sie es nicht fand? Würde ihr Mann noch tiefer im Abgrund dieses kaputten Rechtssystems versinken, weil sie dieses eine Blatt Papier nicht vorlegen konnte?
»Bitte hilf mir«, sagte sie tränenerstickt zu Adnan.
Sie suchten eine Stunde. Sie öffneten jede Schublade und jeden Ordner, bis sie das Gefühl hatten, nur immer wieder dieselben wenigen unbeschädigten Ordner in die Hand zu nehmen. Doch endlich, in einer Schublade, von der Kathy dachte, dass sie nichts von Wert enthielt, fand sie ihn, den Kaufvertrag für das Haus Nummer 3015 auf der Dublin Street. Sie kniete auf dem Boden, ihre Abaya verdreckt, und hielt ihn weinend in den Händen. Sie lehnte sich zitternd zurück.
»Wehe, das klappt nicht«, sagte sie.
Mit dem Vertrag in der Hand fuhren sie zu Raleighs Büro in Baton Rouge. Raleigh machte den Kautionsantrag fertig und faxte ihn dem Kautionsbürgen. Der Bürge bestätigte, dass er alles erhalten hatte und dass die Kaution gezahlt worden war. Raleigh rief in Hunt an, um nachzufragen, ob dort alle erforderlichen Unterlagen vorlagen. Man erklärte ihm, dass alles da sei, dass aber das Büro früher geschlossen habe. Es war drei Uhr nachmittags.
Zeitoun musste eine weitere Nacht in Hunt verbringen.
DONNERSTAG , 29. SEPTEMBER
Am frühen Morgen fuhren
Weitere Kostenlose Bücher