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Zeitoun (German Edition)

Zeitoun (German Edition)

Titel: Zeitoun (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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kurze Haar. Er starrte sie eine Weile an und versuchte, den Mut aufzubringen, sie anzusprechen. Aber ihm fiel nichts Passendes ein, was er hätte sagen können, und gleich darauf war sie wieder weg.
    Hinterher fragte er Adnan nach ihr.
    »Hast du sie schon mal gesehen?«
    »Ich weiß nicht. Ich glaube nicht.«
    »Falls sie noch mal herkommt, musst du sie etwas fragen. Frag sie, ob sie nach Katrina in New Orleans war.«
    Den ganzen Tag lang holte ihn die Erinnerung an seine Festnahme und die Wochen danach immer wieder ein. Er dachte nicht jeden Tag an die Festnahme, aber spätnachts fiel es ihm mitunter schwer, seinen Zorn niederzuringen.
    Er wusste, er würde nicht mehr in der Stadt leben können, wenn er das Gefühl hatte, ständig Menschen wie dieser Soldatin über den Weg zu laufen. Es war schon schmerzhaft genug, am Greyhound-Bahnhof vorbeizufahren. Aber das ließ sich kaum vermeiden, weil er so zentral lag und in Sichtweite des Baumarktes Home Depot. Er hatte seine Gewohnheiten in vielen Kleinigkeiten umgestellt. So gab er sich jetzt größte Mühe, auch nicht den geringsten Verkehrsverstoß zu begehen. Er fürchtete, dass ihn die örtliche Polizei wegen des laufenden Verfahrens im Visier hatte, dass sie ihm irgendwas in die Schuhe schieben würde, um seine Festnahme zu rechtfertigen. Aber das waren flüchtige Gedanken. Er wehrte sie jeden Tag ab.
    Eine Konfrontation war unvermeidlich.
    Vier Tage nach seiner Freilassung hatte Zeitoun Zeit gehabt, zu schlafen und ein wenig zu essen. Er fühlte sich stärker. Er wollte nicht nach Camp Greyhound zurückkehren. Aber Kathy bestand darauf, und er wusste, dass sie recht hatte. Sie mussten sein Portemonnaie zurückbekommen. Darin war sein Führerschein, und ohne den war das einzige Ausweispapier, das er besaß, der Gefängnisausweis, den man ihm in Hunt gegeben hatte. Er und Kathy wollten nach Phoenix zu ihren Kindern fliegen und dann mit ihnen im Auto zurück nach Hause fahren, und damit sie sich am Steuer abwechseln konnten, brauchte er seinen Führerschein. Sie überlegten hin und her, doch es fiel ihnen keine bessere Möglichkeit ein. Sie mussten zum Greyhound-Bahnhof und Zeitouns Portemonnaie zurückholen.
    Sie fuhren durch den Torbogen des Bahnhofs. Überall um sie herum waren Polizeiautos, Jeeps und andere Militärfahrzeuge.
    »Wie fühlst du dich?«, fragte Kathy.
    »Nicht gut«, sagte Zeitoun.
    Sie parkten und blieben einen Moment im Wagen sitzen.
    »Bereit?«, fragte Kathy. Sie war auf Kampf eingestellt.
    Zeitoun öffnete seine Tür. Sie gingen auf den Bahnhof zu. Vor dem Eingang standen zwei Soldaten.
    »Bitte, sag nichts«, sagte Zeitoun zu Kathy.
    »Okay«, sagte sie, obwohl sie ihre Wut kaum zügeln konnte.
    »Bitte nicht«, flehte er noch einmal. Er hatte sie wiederholt gewarnt, dass man sie beide festnehmen oder ihn zurück ins Gefängnis schicken könnte. Die undenkbarsten Dinge konnten passieren. Die undenkbarsten Dinge waren passiert.
    Als sie sich dem Busbahnhof näherten, zitterte Zeitoun.
    »Bitte bleib ruhig«, sagte er. »Mach es nicht noch schlimmer.«
    »Ist ja gut«, sagte Kathy.
    Sie gingen an etlichen Soldaten vorbei und in das Gebäude. Es sah noch so aus, wie Zeitoun es in Erinnerung hatte. Zum ersten Mal in seinem Leben versuchte er, sich kleiner zu machen. Bemüht, sein Gesicht zu verbergen – vielleicht waren die Leute, die ihn in den Käfig gesperrt hatten, noch hier –, folgte er Kathy durch die Tür.
    Zwei Soldaten hielten sie auf. Sie klopften Zeitoun ab und durchsuchten Kathys Handtasche. Dann schickten sie sie durch einen Metalldetektor. Zeitouns Augen huschten hin und her, hielten Ausschau nach jemandem, den er wiedererkannte.
    Man führte sie zu ein paar Stühlen, denselben Stühlen, auf denen Zeitoun verhört worden war, und sagte ihnen, sie müssten warten, bis der Staatsanwalt Zeit für sie hätte. Zeitoun wollte unbedingt so schnell wie möglich wieder weg. Die Situation kam ihm nur allzu bekannt vor. Er vertraute nicht darauf, wieder gehen zu dürfen.
    Während sie warteten, sprach sie ein Mann mit einem Tonbandgerät in der Hand an. Er stellte sich als Reporter aus den Niederlanden vor und sagte, dass sein Freund über Nacht in einem der Käfige festgehalten und gerade erst freigelassen worden war.
    Dann fragte er Zeitoun und Kathy, warum sie hier waren. Ohne zu zögern, erzählte Kathy ihm, dass man ihren Mann widerrechtlich festgenommen, in ein Hochsicherheitsgefängnis gebracht und dort dreiundzwanzig Tage lang

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