Zeitoun (German Edition)
festgehalten hatte und dass sie jetzt versuchten, sein Portemonnaie zurückzubekommen.
»Treten Sie weg von den beiden!«
Kathy blickte auf. Eine etwa fünfzigjährige Offizierin im Tarnanzug musterte sie finster und blaffte den holländischen Reporter an. »Raus hier«, sagte sie zu ihm. »Das Interview ist zu Ende.« Dann wandte sie sich zwei Nationalgardisten zu. »Falls der Mann noch mal hier auftaucht, verhaftet ihn und steckt ihn in einen Käfig.« Die Soldaten näherten sich dem Reporter.
Kathy stand auf und ging zu der Frau.
»Wollt ihr mir jetzt auch noch mein Recht auf freie Meinungsäußerung nehmen? Ja? Ihr habt meinen Mann verschleppt, habt mir nicht erlaubt, meinen Mann zu sprechen oder zu sehen, und jetzt nehmt ihr mir die Möglichkeit, mich frei zu äußern? Das darf doch wohl nicht wahr sein! Schon mal was von freier Meinungsäußerung gehört?«
Die Offizierin wandte sich von Kathy ab und befahl, den Reporter nach draußen zu schaffen. Zwei Soldaten führten ihn zur Tür hinaus.
Der Staatsanwalt, ein korpulenter Weißer, kam zu ihnen und fragte, was er für sie tun könne. Kathy wiederholte, dass sie das Portemonnaie ihres Mannes brauche. Der Mann führte sie zu dem Souvenirladen, der in ein Büro umgewandelt worden war. Es war ein verglaster Kasten mitten im Bahnhof, voller T-Shirts mit Mardi-Gras-Aufdrucken und Briefbeschwerern. Kathy und Zeitoun erläuterten ihre Lage.
Der Staatsanwalt sagte, es tue ihm leid, aber das Portemonnaie gelte weiterhin als Beweismittel. Kathy fuhr aus der Haut. »Beweismittel? Wie kann sein Führerschein denn als Beweismittel dienen? Ihr wisst doch, wie er heißt. Wozu braucht ihr dann noch seinen Führerschein? Er hat doch mit seinem Portemonnaie kein Verbrechen begangen.«
Der Mann seufzte. »Sie haben mein volles Verständnis, aber ohne Erlaubnis des Oberstaatsanwalts kann es Ihnen nicht ausgehändigt werden«, sagte er.
»Sie meinen Eddie Jordan?«, fragte Kathy. »Wo ist er?«
»Nicht hier«, sagte er.
»Wann kommt er?«, fragte Kathy.
Der Staatsanwalt wusste es nicht.
Kathy und Zeitoun gingen in die Bahnhofshalle, unschlüssig, wie sie weiter vorgehen sollten. Doch dann fiel ihr Blick durch die Fensterfront des Bahnhofs auf Eddie Jordan. Er stand draußen, umringt von einem Rudel Reporter.
Kathy marschierte zur Tür hinaus, um Jordan zur Rede zu stellen. Er trug einen Anzug mit Weste.
»Warum können wir sein Portemonnaie nicht haben?«, fragte sie.
»Wie bitte?«, sagte Jordan.
Kathy lieferte ihm eine Kurzdarstellung von Zeitouns Situation und wiederholte ihre Forderung nach Herausgabe des Portemonnaies.
Jordan sagte, da könne er leider nichts machen, drehte sich um und setzte seine Unterhaltung fort.
Im selben Moment entdeckte Kathy den holländischen Reporter ganz in der Nähe. Sie wollte, dass er und die anderen Journalisten mitbekamen, was hier vor sich ging. Sie sprach so laut sie konnte.
»Sie haben meinen Mann in seinem eigenen Haus verhaftet, und jetzt wollen Sie ihm nicht mal sein Portemonnaie zurückgeben? Was ist hier eigentlich los? Was stimmt nicht mit dieser Stadt?«
Jordan zuckte die Achseln und wandte sich ab.
»Wir gehen wieder rein«, sagte Kathy zu Zeitoun.
Zeitoun fand das zwar sinnlos, aber das Feuer in ihren Augen duldete keinen Widerspruch. Sie gingen wieder hinein und direkt zu dem Staatsanwalt. Kathy würde nicht zulassen, dass dieser verdammte Gefängnisausweis ihren Mann definierte und das einzige offizielle Ausweispapier war, das er besaß.
»Sie müssen irgendetwas tun«, sagte sie. Sie war jetzt den Tränen nahe, überwältigt von Frustration und Zorn.
Der Staatsanwalt schloss die Augen. »Ich schau mal nach, ob ich was finde«, sagte er. Er ging aus dem Büro. Zehn Minuten später kam er mit dem Portemonnaie zurück und gab es Zeitoun.
Zeitouns Führerschein und seine Aufenthaltserlaubnis waren darin, aber sein Bargeld, die Visitenkarten und die Kreditkarten waren verschwunden.
»Wo sind die anderen Sachen?«, fragte Zeitoun.
Der Mann wusste es nicht. »Das war alles.«
Kathy war das egal. Vorläufig wollte sie nur eines, nämlich den Beweis, dass ihr Land ihren Mann als Bürger anerkannte.
»Vielen Dank, Sir«, sagte sie. »Vielen Dank.« Sie hätte ihn am liebsten umarmt. Er war der erste Mensch in einer offiziellen Funktion der Stadt oder des Staates, der ein wenig Menschlichkeit gezeigt hatte. Selbst diese rasche und unkomplizierte Tat, das Portemonnaie eines Mannes zu holen, der nur wenige Meter
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