Zeitoun (German Edition)
tat noch weh, aber er joggte trotzdem auf der Stelle. Er machte Liegestütze und Dehnübungen. Aber der Schmerz in seiner Seite wurde durch die Bewegung schlimmer. Zeitoun hörte auf.
Das Frühstück bestand aus Wurst, die er nicht essen konnte, und Rührei, das nahezu ungenießbar war. Er nahm ein paar Bissen und trank den zum Frühstück gehörenden Saft. Er und Nasser saßen Seite an Seite auf dem Bett, ohne viel zu reden. Zeitoun ging ständig nur durch den Kopf, dass er telefonieren musste. Das war das Einzige, das ihn beschäftigte.
Er hörte den Wärter den Gang herunterkommen und die Frühstückstabletts einsammeln. Sobald seine Schritte nah genug waren, sprang Zeitoun an die Gittertür. Der Wärter wich zurück; Zeitouns jähes Auftauchen hatte ihn erschreckt.
»Bitte«, sagte Zeitoun, »ein Telefonanruf?«
Der Wachmann gab keine Antwort und sah stattdessen an Zeitoun vorbei Nasser an, der nach wie vor auf dem Bett saß. Der Wärter warf Zeitoun einen skeptischen Blick zu und ging weiter zur nächsten Zelle.
Eine Stunde später hörte Zeitoun erneut die Schritte des Wärters, und wieder stand er auf, um den Mann anzusprechen, als er an der Gittertür vorbeikam. »Bitte, darf ich jemanden anrufen?«, fragte er. »Nur meine Frau.«
Diesmal reagierte der Wärter mit einem knappen Kopfschütteln, ehe er an Zeitoun vorbeispähte, um Nasser zu mustern, der wieder auf dem Bett saß. Der Blick, den der Wärter Zeitoun dann zuwarf, war anzüglich, sogar lüstern. Er hob die Augenbrauen und deutete mit dem Kinn auf Nasser. Er unterstellte, Zeitoun und Nasser hätten eine sexuelle Beziehung und Zeitoun wäre aus Furcht vor Entdeckung vom Bett aufgesprungen, als er den Wärter näher kommen hörte.
Als Zeitoun endlich begriff, was der Wärter meinte, war es zu spät, um zu widersprechen. Der Mann war weggegangen, den Gang hinunter. Aber die Unterstellung, er wäre bisexuell und würde seine Frau betrügen, machte Zeitoun derart wütend, dass er sich kaum beherrschen konnte.
Gegen Mittag wurde Zeitoun aus der Zelle geholt. Man führte ihn in ein kleines Büro, in dem ein Gefängniswärter neben einer Digitalkamera stand. Er befahl Zeitoun, sich auf einen Plastikstuhl zu setzen. Während Zeitoun auf die nächste Anweisung wartete, sah der Wärter ihn mit zusammengekniffenen Augen an und legte den Kopf schief.
»Was glotzt du mich so an?«, schrie er.
Zeitoun sagte nichts.
»Warum glotzt du mich so an, verdammt noch mal?«, schrie der Fotograf.
Dann drohte er damit, dass er Zeitoun den Aufenthalt in Hunt zur Hölle machen könnte, dass ein Mann mit einem so dreisten Auftreten nicht lange durchhalten würde. Zeitoun war schleierhaft, wodurch er den Mann provoziert hatte, der noch immer fluchte, als Zeitoun schon wieder aus dem Raum und zurück in seine Zelle gebracht wurde.
Am späten Nachmittag hörte Zeitoun erneut Schritte auf dem Gang. Er stellte sich an die Gittertür und sah, dass es derselbe Wärter war wie am Morgen.
»Was treibt ihr beide da drin?«, fragte der Wärter.
»Was soll das heißen?«, zischte Zeitoun. Er war noch nie so wütend gewesen.
»Hör mal, Freundchen, so was geht hier nicht«, sagte der Wärter. »Ich hätte sowieso gedacht, so was wäre in deiner Religion nicht erlaubt.«
Jetzt platzte Zeitoun der Kragen. Er ließ einen Schwall von Beschimpfungen und Drohungen vom Stapel. Es war ihm egal, was passieren würde.
Der Wärter wirkte schockiert. »Pass auf, wie du mit mir redest. Ist dir klar, was ich mit dir machen kann?«
Zeitoun war fertig. Er ging zur Rückwand der Zelle und verschränkte die Arme. Sonst wäre die Versuchung zu groß gewesen, sich gegen die Gitterstäbe zu werfen und wild nach dem Mann zu greifen.
SONNTAG , 11. SEPTEMBER
Am Morgen öffnete sich die Tür, und vier Männer wurden in ihre Zelle gebracht. Alle vier waren Afroamerikaner zwischen dreißig und fünfundvierzig. Zeitoun und Nasser begrüßten sie mit einem Nicken, und nachdem rasch choreografiert worden war, wer wo sitzen sollte, nahmen die Neuankömmlinge ihre Plätze in der winzigen Zelle ein. Drei Männer saßen nebeneinander auf dem Bett und drei mit dem Rücken gegen die Wand auf dem Boden. Eingeengt und in Schweiß gebadet, tauschten sie jede Stunde reihum die Plätze.
Zeitoun rechnete nicht mehr damit, dass die Wärter, die er bislang gesehen hatte, ihm einen Telefonanruf erlauben würden. Also konzentrierte er all seine Hoffnungen darauf, einen neuen Wärter zu entdecken, einen neuen
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